Die Humboldt Law Clinic Grund- und Menschenrechte ist den Kinderschuhen entwachsen. Sie feierte am 27. November im vollen Senatssaal ihr 5 jähriges Jubiläum mit Gästen aus Wissenschaft, Praxis und Politik. Die nachhaltige Etablierung menschenrechtlicher Themen in der juristischen Ausbildung hat aber erst begonnen.
In den USA sind Law Clinics seit Jahrzehnten Gang und Gebe. Hier zu Lande sind sie immer noch ein ziemliches Kuriosum. Erzähle ich Mitstudierenden von der Humboldt Law Clinic Grund- und Menschenrechte, bekomme ich oft Nachfragen, wieso ich jetzt auch noch Medizin studiere oder was für Krankheiten wir denn in so einer Klinik behandeln. Das mag auch daran liegen, dass der Begriff „Legal Clinic“ je nach seinem Kontext unterschiedliches meint. In Bezug auf die HLCMR verweist er auf ein Hochschulangebot, das theoretische und praktische Kenntnisse im Grund- und Menschenrechtsschutz durch Vorlesungen, Praktika, Workshops und die Arbeit an konkreten Fällen vermittelt. Im Kontext studentisch gegründeter Initiativen meint der Begriff vor allem die Ausbildung zur ehrenamtlichen Rechtsberatung.
„Den Kampf für Menschenrechte lernten wir nicht in Hörsälen, sondern auf der Straße“
Die bloße Existenz von Law Clinics im grund- und menschenrechtlichen Bereich ist jedoch bereits ein großer Fortschritt verglichen mit den Erfahrungen der Teilnehmenden der Podiumsdiskussion „Menschenrechte und Antidiskriminierungsrecht in der juristischen Profession“ auf der Jubiläumsfeier.
Eine grund- und menschenrechtliche Ausbildung haben alle Diskutant*innen in Ihrem Studium völlig vermisst. Eindrücklich berichtete Wolfgang Kaleck, dass er in den 80er Jahren in den Hörsälen juristischer Fakultäten absolut nichts über Menschenrechte gehört habe. Kaleck erzählte, dass er viele Skills für seine derzeitige Tätigkeit beim ECCHR, bei den politischen Bewegungen seiner Zeit, wie etwa der Initiative gegen die Volkszählung, gelernt habe. Auch Manfred Nowak, Professor für Völkerrecht und Leiter des Forschungszentrums Menschenrechte in Wien, berichtete, wie er erst durch Forschungsaufenthalte in den USA erlebte, wie Menschenrechte auch an der Uni gelehrt und durch praktische Tätigkeiten den Studierenden nahegebracht wurden. Er hob die Rolle von Einzelpersönlichkeiten hervor, die sich früh, zum Beispiel in den Menschenrechtsbodies der UN für Human Rights als Rechtsgebiet einsetzten. Ganz ähnlich erzählten auch Eva Maria Andrades, Leiterin des Antidiskriminierungsnetzwerkes Berlin und Almut Wittling-Vogel, Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtsfragen, wie sie erst in ihrer beruflichen Karriere lernten, menschenrechtliche Fragen zu adressieren. Susanne Baer, eine der Gründerinnen der HLCMR und nun Richterin des Bundesverfassungsgerichtes lobte die Juristische Fakultät der Humboldt Universität für ihr aktuelles Angebot an Grund- und Menschenrechtsbildung. Sie hob hervor, dass die Law Clinic über rechtsdogmatisches Know-How hinaus auch wichtige interdisziplinäre Fähigkeiten vermittle.
Ende gut, alles gut?
Zwar feiert die HLCMR bei ihrem fünften Geburtstag nun endlich „über den Berg zu sein“ (so der Vizepräsident für Studium und Internationales Michael Kämpfer van den Boogart), von einem etablierten System von Law Clinics zu sprechen, ist wohl verfrüht. Obwohl die Law Clinics in den letzten Jahren deutschlandweit wie Pilze aus dem Boden schießen, ist ihre Einbindung in den universitären Hochschulbetrieb immer noch lückenhaft. Wie Susanne Baer feststellte, bleibt die Anerkennung einer grund- und menschenrechtlichen Ausbildung, aber auch die Anerkennung des Formats Law Clinic noch weit hinter dem Möglichen zurück. Noch steht sie als berufsqualifizierende Zusatzausbildung mit Rhetorikkursen oder Angeboten des „Career Centers“ auf einer Stufe, als seien Menschenrechte etwas, mit dem man sich eben „auch noch so nebenbei beschäftigen kann“.
Was uns noch fehlt
Wie die Projekte der HLCMR der letzten Jahre zeigten, ist die Idee und Umsetzung der Clinic bereits bahnbrechend. Law Clinics gehören zum Aushängeschild der Fakultät, lobte der Dekan. Die Präsentationen von Studierenden des abgeschlossenen Zyklus zum NSU-Prozess, zu Arbeitsbedingungen in deutschen Schlachthöfen und zu menschenrechtlichen Möglichkeiten der Verbesserung des Rechts von Flüchtlingskindern auf Zugang zu Gesundheit haben gezeigt, wie Menschenrechte erst im Zusammenspiel mit politischen Prozessen, öffentlichem Diskurs und strategischer Prozessführung erfolgreich sein können.
Allerdings bedarf es einer Aufwertung der Bedeutung der Clinic und einer festeren Verankerung im institutionellen Aufbau der Universitäten, so Susanne Baer.
Hinzufügen würde ich, dass Diversity-Kompetenzen und eine Sensibilisierung für Grund- und Menschenrechte nicht etwas sein sollten, was nur einer handverlesenen Zahl von ohnehin schon engagierten Studierenden ermöglicht wird, sondern Einzug in den Universitätsbetrieb insgesamt erhalten sollte. Dass wir erst am Anfang einer langen Entwicklung stehen, zeigte diese Jubiläumsfeier.