Frauen* solidarisiert euch!

Ein Erfahrungsbericht über den 42. feministischen Juristinnen* Tag, der vom 06. bis 08. Mai an der Universität in Wien stattfand. Ein Empowerment der besonderen Art.

„Ich bin überwältigt“ rief Elisabeth Holzleithner, Professorin für Rechtsphilosophie und Legal Gender Studies an der Universität Wien und Mitorganisatorin des 42. feministischen Juristinnentages bei der Eröffnungsveranstaltung am Freitag Abend begeistert von der Kanzel in der Aula der Universität, angesichts der über 300 Teilnehmer*innen im Saal.

Richterinnen*, Anwältinnen*, Studentinnen* und fachlich interessierte Frauen* hatten sich an diesem Wochenende in Wien versammelt, um über aktuelle juristische und rechtspolitische Fragen aus feministischen Perspektiven zu diskutieren und zu debattieren.

Auch ich war überwältigt an diesem Freitag Abend. Neben der Teilnehmerinnen*zahl, vor allem wegen der Atmosphäre. Die Stimmung war sensationell. 300 Feministinnen*, jung und alt, kämpferisch und optimistisch, die zusammensaßen und die Emanzipation der Frau* feierten.

Man konnte gar nicht anders, als sich als Teil der Gruppe zu sehen und sich mit den Anwesenden zu solidarisieren. Dieser Eindruck hielt sich auch am Samstag, an welchem die Tagung mit Diskussionen in Arbeitsgruppen und Foren ihren fachlichen Höhepunkt erreichte.

Die Rechte der Frau* und ihre Möglichkeit der Durchsetzung

Aus dem umfangreichen Programm mit 16 Arbeitsgruppen, die in 8 Tracks sortiert waren, sowie 4 Foren, entschied ich mich für den Track „Diskriminierung“ und das Forum „Frauen sprechen Recht“.

In der AG „Emanzipatorische Kraft des individuellen Rechtsanspruchs“ wurde mein Optimismus, den ich vom Freitag Abend mitgenommen hatte, ziemlich abgeschwächt.

Sandra Konstatzky, Anwältin und Mitglied in der Gleichbehandlungskommission (GBK) in Österreich und Karmen Riedl, Anwältin und Mitglied der Arbeitskammer Österreich, sprachen über den Rechtsschutz der Frau als Arbeitnehmerin bezüglich Entgelt und Beförderung in Österreich.

Die formelle Gleichheit der Frau sei in Österreich so ziemlich erreicht, meinte Sandra Konstatzky. Allerdings nur auf vertikaler Ebene. Auf horizontaler Ebene, also bei der Gleichbehandlung sei noch einiges zu tun. Gerade im Arbeitsbereich würden große Defizite deutlich. So läge nach wie vor die Beweislast bezüglich einer Diskriminierung bei der Frau. Diese müsse das Motiv des Täters bzw. der Täterin glaubhaft machen, während dieser oder diese lediglich ein wahrscheinlicheres Motiv vorlegen müsse. Daraus ergäben sich bei einer Ungleichbehandlung der Geschlechter bzgl. des Entgeltes oder der Beförderung haarsträubende Argumentationen der Arbeitgeber*innnen vor Gericht. Ein beliebtes Argument sei der höhere Marktwert des Mannes. Auch eine bessere Verhandlungsstrategie oder lukrative Weiterentwicklungsmöglichkeiten, die der männliche Bewerber beispielsweise durch Kontakte aufgezeigt habe, werde von den Arbeitgeber*innen häufig vorgebracht.

Während die GBK außergerichtlich agiert und vor allem in den Unternehmen interveniert, unterstützt und berät die Arbeitskammer die Betroffenen vor bzw. während des Gerichtsprozesses. Beide Organisationen halten geschlechterdiskriminierender Argumentation von Arbeitgeber*innen dann den Nachweis der intransparenten Gehaltsstrukturen vor, die verdeutlichen, dass die Verantwortlichen Gehaltserhöhungen nach subjektiven und somit nicht nachvollziehbaren Kriterien vornehmen. Insbesondere die eigenen Ermittlungsmöglichkeiten der GBK seien hilfreich, um den Beweis hier erbringen zu können..

Auch bei der gerichtlichen Aufarbeitung ergäben sich noch einige Defizite, so Karmen Riedl. Der, im Einzelfall zugestandene materielle oder immaterielle Schadensersatz sei in nahezu allen Fällen zu niedrig, was gerade auf große Unternehmen nicht abschreckend genug wirke. Gleichzeitig drohe der Betroffenen bei der Beschreitung des Rechtsweg oft die Kündigung.

Dennoch, so stellten die beiden Anwältinnen klar, würden sie jeder Klient*in zur Aufnahme eines Verfahrens raten. Gerade vor der GBK würden die Fälle oft positiv entschieden, was nicht nur das Rechtsbewusstseins der Frauen stärken würde, sondern auch zu einigen konstruktiven Maßnahmen in Unternehmen geführt habe, wie zum Beispiel die Einstellung einer Frauenbeauftragten im Betrieb. Dass das Gerichtsverfahren gleichzeitig neben dem Verfahren vor der GBK geführt werden könne, erleichtere strategische Prozessführung oft. Für welches Verfahren man sich letztendlich entscheide, komme auf die Beweislage und die Klarheit des Falls an. Je eindeutiger, desto gewinnbringender sei der Gerichtsprozess, da ein Verfahren vor der GBK oft sehr lange dauern würde.

Neben der individuellen Rechtsdurchsetzung seien aber vor allem auch die Sensibilisierung der Gesellschaft für die Ungleichbehandlungen notwendig. Entsprechend führt die GBK selbst Workshops in Betrieben durch, um beispielsweise den Betriebsrat für Antidiskriminierung zu sensibilisieren. Um das Verständnis für die strukturellen Diskriminierungen zu stärken, müssten zudem die Gerichtsurteile evaluiert werden. Die Urteile werden zu selten veröffentlicht, meist enden die Prozesse in der ersten Instanz. Die Hoffnung bestehe vor allem darin, dass die Thematisierung der strukturellen Ebene auch zu einer stärkeren Solidarisierung der Frauen führe. Häufig beklagen Betroffene von diskriminierenden Maßnahmen, dass sich auch Kolleginnen viel zu oft gegen sie stellen würden.

Frauen* als Gestalter*innen des Rechts

Diese Botschaft der Solidarisierung wurde auch im Forum 1 „Frauen sprechen Recht“ am Nachmittag deutlich. Fünf Richterinnen sprachen über ihren Werdegang in der österreichischen Justiz und über die zu überwindenden Hürden und Schwierigkeiten.

Und dies waren bei weitem nicht wenige.

Zunächst wurde beleuchtet, wie marginal der Anteil von Frauen in der Jurisprudenz sei.

Sowieso sprechen wir bei Frauen in der Rechtswissenschaft von einem Zeitraum von gerade einmal 97 Jahren. Die erste Richterin in Österreich gab es erst 1947, also vor knapp 70 Jahren. Erst seit 1993 verpflichte das Gleichbehandlungsgesetz in Österreich die Justiz dazu, statistisch zu erheben, wie viele Frauen sich auf eine Stelle beworben haben. Entsprechend sei noch heute der Frauenanteil in der Justiz sehr gering. Dies zeige sich vor allem in der vertikalen Betrachtung. Während bei den unteren Gerichten der Frauenanteil mittlerweile bei ca. 50 % liege, dünne er sich nach oben hin sehr stark aus. So gäbe es beispielsweise beim obersten Gerichtshof nur noch einen Frauenanteil von 31 %, beim Verwaltungsgerichtshof sogar nur 25 %.

In der Rechtsanwält*innenschaft sähe es sogar noch schlechter aus. Hier läge der Frauenanteil sogar nur noch bei 20 %.

Diese geringen Zahlen hätten mehrere Gründe. Doch neben einer häufig zu beobachtenden größeren Bescheidenheit und stärkeren Selbstzweifeln bei jungen Frauen als bei jungen Männern, seien vor allem sich hartnäckig haltende Vorurteile und Stereotypisierungen von entscheidungstragenden Personen die Hauptursache. Darin waren sich alle anwesenden Richterinnen einig und hatten auch direkt einige Anekdoten parat.

Neben den altbekannten Vorurteilen, dass Frauen sowieso nur Kinder kriegen und dann in Elternzeit gehen würden, wird ihnen oft die Kompetenz abgesprochen, Familien und Beruf vereinbaren zu können. Dass diese – in der Tat herausfordernde – Aufgabe auch Männer betrifft, wird gerne vergessen. Denn sie werden in Bewerbungsgesprächen nicht danach gefragt, wie sie das vereinbaren wollen. Nicht zuletzt werden in Bewerbungsgesprächen auch alte Strukturen wie die Alleinverdienerehe aktiviert, um Frauen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu versperren: Wenn der Mann doch schon Anwalt sei, warum müsse sie dann überhaupt noch Richterin werden?

Gleichzeitig berichteten alle Richterinnen aber auch von positiven Erlebnissen, von Mentor*innen, die ihnen auf ihrem Werdegang weitergeholfen haben und von einem freundlichen und respektvollen Arbeitsumfeld in dem sie sich nun bewegen.

Doch der Weg zur jetzigen Position sei nicht leicht gewesen und oft sehr frustrierend. Gerade der Rückblick darauf zeige ihnen, wie wichtig der Zusammenhalt und die Solidarisierung der Frauen sei.

Fazit

Bei allen positiven und negativen Aspekten, die ich im Laufe des FJT gewinnen konnte, wurde mir eines besonders deutlich.

Die Emanzipation der Frauen*ist noch längst nicht erreicht, doch gleichzeitig hat sich bereits viel getan. Und dies liegt nicht zuletzt an den Frauen* selbst. Die Gleichstellung der Frauen* sollte jede Frau* etwas angehen. Nur gemeinsam können neue Strukturen geschaffen werden und alte überwunden werden.

Deshalb kann ich nur mit meiner Botschaft vom 42. FJT schließen: Frauen*, solidarisiert euch!

Ich freue mich schon auf nächstes Jahr.

Frauen* und Arbeit und darüber hinaus
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