Adoption in Bilderbuchhausen – BGH entscheidet über Stiefkindadoption

121 Jahre nach Schaffung der Regelungen zur Kindesadoption im Bürgerlichen Gesetzbuch hat sich die Gesetzeslage noch immer nicht weiterentwickelt. Zwar hat sich der gesellschaftliche Blick auf die Vielfalt von Familienformen geändert, doch rechtlich herrscht das Bild von der Mutter-Vater-Kind-Familienform noch immer vor. Entsprechend haben auch die Regelungen zur Stiefkindadoption gem. § 1741 BGB noch keine Änderung erfahren. Dies scheint auch aus Richter*innensicht kein Problem darzustellen, wie ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs zeigt.

1741 als Anker des Vater-Mutter-Kind-Idealismus

Der BGH bestätigte am Montag, den 08.02.2017 ein vorheriges Urteil des Oberlandesgerichts Hamm und entschied, dass der unverheiratete Kläger die minderjährigen Kinder seiner langjährigen Lebensgefährtin nicht adoptieren darf. Um die leiblichen Kinder eines Partners oder einer Partnerin annehmen zu können, müsse, so der BGH, eine Ehe oder eine eingetragene Lebenspartnerschaft vorliegen. Im hiesigen Fall hatte der Kläger die Annahme der Kinder seiner Lebensgefährtin einklagen wollen, nachdem der leibliche Vater der Kinder im Jahr 2006 verstorben war. Der Kläger wohnt seit 2007 mit der Mutter und den Kindern in einem Haushalt.

Zur Begründung des Urteils bezog sich der BGH auf die eindeutige Gesetzeslage. Wenn man in das BGB hineinschaut, wird einem klar, dass der Gesetzgeber die Stiefkindadoption durch unverheiratete oder unverpartnerte Personen tatsächlich nicht zulässt. Dies regeln der § 1741 I BGB und § 9 Abs. 7 LPartG. Eine entsprechende Anwendung dieser Regelungen auf unverheiratete und unverpartnerte Paare sei laut BGH nicht möglich und vom Gesetzgeber auch nicht beabsichtigt. Besonders § 1741 II BGB mache dies deutlich. Danach darf eine Person das Kind ihres unverheirateten Partners oder Partnerin nur alleine adoptieren. Das heißt, dass in diesem Falle automatisch das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Kindern und ursprünglichem Elternteil gem. § 1755 I 1 BGB erlischt. Alternative Lebensmodelle zum verheirateten oder verpartnerten Eltern-Kind-Modell werden hier weder vom Gesetz noch durch das Gericht anerkannt.

BGH sieht keinen Verfassungsverstoß

Für diesen Fall war die Frage zu klären, ob § 1741 BGB verfassungswidrig sein könnte. Der BGH bestreitet dies in seinem Urteil.

Infrage käme ein Verstoß gegen das Elternrecht aus Art. 6 II 1 Grundgesetz (GG). Dieses beinhaltet das Recht auf Erziehung und Pflege des eigenen Kindes, welches dem Kläger vom BGH hier abgesprochen wird. Für den Kläger in diesem Fall gilt dies nur leider nicht. Nach etwa 10 Jahren Zusammenleben mit den Kindern ist er schließlich nur sozialer Vater und nicht einer, der vom Gesetz anerkannt ist und sich auf sein Elternrecht berufen könnte. Im O-Ton des Urteils heißt es: „Personen sind schon nicht deshalb Eltern im Sinne des Grundgesetzes, weil sie gegenüber dem Kind ihres Lebensgefährten die soziale Funktion eines zweiten Elternteils wahrnehmen.“  Hier wird mit einem engen Elternbegriff begründet und auf das Familienrecht verwiesen, auf das man sich bei einer sozialen Elternschaft stattdessen berufen könne.

Aber auch auf das Familiengrundrecht gemäß Art. 6 I GG konnte sich der Kläger hier nicht berufen. Durch dieses wird die Gemeinschaft der Eltern mit ihren Kindern geschützt und umfasst auch den Schutz einer psychologischen und sozialen Elternrolle. Der Schutzbereich dieses Artikels umfasst allerdings kein Recht auf Adoption. Dies entschied schon das Bundesverfassungsgericht in einem früheren Urteil. Die Verwehrung der Adoption betreffe das Zusammenleben des Paares und des Kindes nicht unmittelbar. Auf welcher Vorstellung von der Lebenswirklichkeit dieses Argument fußt, bleibt leider offen.

Zuletzt bleibt da noch das allgemeine Gleichheitsrecht nach Art. 3 I GG. Dieses bindet Gerichte und die Verwaltung, wesentlich gleiche Sachverhalte gleich zu behandeln. Ein Verstoß liegt vor, wenn vergleichbare Sachverhalte ohne einen sachlichen Grund ungleich behandelt werden. Aber auch hier bleiben der Kläger und gleichzeitig andere Personen in diesen Stiefkindkonstellationen erfolglos. Nach der Ansicht des BGH ist die Situation bei verheirateten/verpartnerten und unverheirateten Personen nicht vergleichbar. Die Annahme eines Kindes durch ein Ehepaar trage nach der Reform des Adoptionsrechts 1976 am ehesten den Belangen des Kindeswohls bei. Eine Ehe gewährleiste eine stärkere Lebensbasis als eine rechtlich unverbindliche Paarbeziehung. Daher durfte das OLG Hamm hier so entscheiden. Das Gesetz suggeriert an dieser Stelle, dass Unverheiratete/Unverpartnerte keine derart stabile Beziehung führen können, wie sie für eine Adoption vorausgesetzt wird.

Spielen wir das ganze Szenario doch einmal durch: Nach 10 Jahren Zusammenleben und enger Bindung zu den Kindern, heißt es hier für den Stiefpapa: weder das Recht, Entschuldigungszettel zu schreiben noch Auskunftsrechte im Krankenhaus zu haben. Insgesamt wird dem Paar die Möglichkeit genommen, gemeinschaftlich für die Kinder zu sorgen.

Interessen der Kinder werden außer Acht gelassen

Hier sollte aber auch eine mögliche Verletzung des Gleichheitsrechts der betroffenen Kinder in Betracht gezogen werden. Stiefkinder werden ungleich behandelt, wenn nur die in einer Ehe aufwachsenden adoptiert werden können. Dieser Aspekt wurde im vorliegenden Urteil ganz außer Acht gelassen, wobei doch gerade die Frage danach, was wohl das Beste für die Kinder ist, im Vordergrund stehen sollte.

Im Hinblick auf die Interessen der Kinder wird hier jedoch nur der Zweck der Regelung, den Kindern eine stabile Elternbeziehung zu gewährleisten, angesprochen. Doch eine solche Stabilität nur am Vorliegen einer Ehe oder einer eingetragenen Lebenspartnerschaft zu messen, bleibt fragwürdig. Der BGH sieht die staatliche Schutzpflicht für das Recht auf elterliche Pflege und Erziehung der Kinder gem. Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 schon deshalb nicht als verletzt an, da die Kinder nicht elternlos sind und doch noch ihre Mutter haben. Schließlich könnte der Antragssteller doch einfach eine Ehe eingehen und schon wäre das Problem gelöst, so der BGH. Aber nur, wenn man weiter in üblichen Familienklischees denkt.

Eine Ungleichbehandlung kann man in dieser Konstellation jedoch darin sehen, dass nur Stiefkinder adoptiert werden können, die bei verheirateten Eltern aufwachsen, so auch die Familienrechtlerin Prof. Dr. Nina Dethloff.

Doch wie wäre diese Ungleichbehandlung zu rechtfertigen?

Der BGH führt hier zur Begründung das Nichtvorliegens einer stabilen Eltern-Kind-Beziehung an und suggeriert damit, dass eine solche nur am Vorliegen eines Blatt Papiers, eines Rings oder ein Ehegelöbnisses festgemacht werden kann.

Hier scheinen jedoch andere Indikatoren für das Vorliegen einer Stabilität wesentlich geeigneter. In vielen anderen Ländern kommt es beispielsweise auf die Dauer des Zusammenlebens des adoptierenden Paares an. Nach der Adoption können die Kinder durch Adoptionspflege und die Jugendämter geschützt und so die Stabilität überprüft werden.

„Familie ist da, wo Menschen partnerschaftlich füreinander Verantwortung übernehmen“

In einem Artikel in der taz wird das Gesellschaftsverständnis des BGH so treffend mit „Familie Mustermann aus Bilderbuchhausen“ beschrieben. Dabei ist die Patchworkfamilie doch schon längst keine Seltenheit mehr – mag man meinen. Der BGH entscheidet weiter an der Realität vorbei. Er sieht weder die Stiefpapas und –mamas noch Ko-Eltern auf Spielplätzen herumturnen. Verheiratete Eltern und Kind scheint weiter die Norm zu sein, an der nur in Grenzen gesetzlich gerüttelt werden kann. Doch nicht nur das Adoptionsrecht ist in diesem Punkt unzeitgemäß. Deutschland sieht als letztes westeuropäisches Land nicht einmal die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare vor.

Nach dem Leitsatz von Familienministerin Manuela Schwesig ist „Familie ist da, wo Menschen partnerschaftlich füreinander Verantwortung übernehmen“.

Eine nette Floskel, aber wo wird dieser Leitsatz eigentlich rechtlich umgesetzt? In diesem Urteil des BGH zumindest nicht.

 

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