Vor über einem Jahr wurde die „Ehe für alle“ eingeführt. Frauen aber, die in einer gleichgeschlechtlichen Ehe Kinder kriegen, werden gegenüber heterosexuellen Ehen weiterhin diskriminiert. Die Ehe macht sie nicht zu Co-Müttern des Kindes, das in der Ehe geboren wird. Dafür muss die eine nach wie vor das Kind der anderen adoptieren. Das hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 10.10.2018 klargestellt.
Eine gemeinsame Mutterschaft kann es demnach nur durch eine Reform des Abstammungsrechts geben. Und diese ist überfällig!
Konkret ging es um zwei Frauen, die im Oktober 2017 die Ehe geschlossen haben. Kurz darauf wurde das Kind geboren, das durch künstliche Befruchtung gezeugt worden war. In das Geburtenregister wurde nur die Frau eingetragen, die das Kind geboren hatte. Der Antrag beim Standesamt, das Geburtenregister zu berichtigen, wurde abgelehnt.
Der BGH hat entschieden, dass das Geburtenregister nicht unrichtig ist, weil die Antragsteller_in nicht rechtlicher Elternteil des betroffenen Kindes ist, also weder Mutter noch Vater.
Das BGB kennt nur eine Mutter
Rechtlich ist Mutter eines Kindes die Frau, die das Kind geboren hat (§ 1591 BGB). Dieser Grundsatz gerät durch Phänomene wie Leihmutterschaft, Eizellenspende, etc. immer mehr ins Schwanken. Das BGB kennt bislang nur die Zuordnung einer einzigen Mutter kraft Gesetzes. Der Gesetzgeber hat somit andere mögliche Formen der abstammungsrechtlichen Mutter-Kind-Zuordnung bewusst ausgeschlossen. Dahingegen liegt dem BGB für die Vater-Kind-Zuordnung eine gesetzliche Vermutung zugrunde. Demnach gilt der Mann, der mit der Kindesmutter verheiratet ist, als Vater des Kindes (§ 1592 BGB). Muss dies nicht auch für die Ehefrau gelten? Der BGH hat das abgelehnt.
Eine direkte Anwendung lasse der klare Wortlaut dieser Norm nicht zu, da dieser allein die Vaterschaft regele. Die Ehefrau der Kindesmutter könne rein biologisch nicht Elternteil des Kindes sein, weshalb die gesetzliche Vermutung keinesfalls begründet sei.
Auch eine analoge Anwendung kommt nach dem BGH nicht in Betracht. Denn dass die Mitelternschaft gleichgeschlechtlicher Ehepartner_innen gesetzlich nicht geregelt sei, sei gerade kein Versehen des Gesetzgebers.
„Zwar ist richtig, dass der Gesetzgeber mit der „Ehe für alle“ bestehende Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern […] beenden und hierzu rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechter stellten, beseitigen wollte. Dies lässt aber nicht den Schluss zu, er habe es versehentlich versäumt, die bestehende Differenzierung im Abstammungsrecht aufzuheben.“ (Rn. 18)
Der Gerichtshof verweist auf den Arbeitskreis Abstammungsrecht, der vom Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz eingesetzt worden war und kurz vor Erlass des Eröffnungsgesetzes einen Vorschlag zur Reform des Abstammungsrechts vorgelegt hatte. Darin plädierte die Expert_innengruppe u.a. dafür, dass als zweiter Elternteil auch eine „Mit-Mutter“ in Betracht kommen soll. Angesichts des zeitlichen Zusammenhangs sei auszuschließen, so der BGH, dass schlicht vergessen wurde, abstammungsrechtliche Folgen der gleichgeschlechtlichen Ehe zu regeln.
Der BGH argumentiert weiter mit der fehlenden Vergleichbarkeit der Sachverhalte (Rn. 21ff.) und sieht keine verfassungs- und konventionsrechtliche Bedenken (Rn. 24ff.). Aber Kinder, die in eine gleichgeschlechtlichen Ehe hineingeboren werden, können nur im Wege der langwierigen und aufwendigen Stiefkindadoption ein zweites rechtliches Elternteil erlangen. Das verstößt gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Es dient dem Kindeswohl am besten, wenn dem Kind von Anfang an zwei rechtliche Eltern mit entsprechenden Pflichten zugeordnet werden können.
Ausblick
Nun ist der Gesetzgeber gefragt. Das Abstammungsrecht muss für eine rechtliche Gleichstellung von hetero- und homosexuellen Partnerschaften reformiert werden. Im aktuellen Koalitionsvertrag ist immerhin vereinbart, dass „im Hinblick auf die zunehmenden Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin und Veränderungen in der Gesellschaft […] Anpassungen des Abstammungsrechts“ geprüft werden sollen. Die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen hat im Juni 2018 einen Gesetzesentwurf eingebracht, durch den abstammungsrechtliche Regelungen an die Einführung gleichgeschlechtlicher Ehen angepasst werden sollen. Im Bundestag wurde der Gesetzesentwurf von vielen bemängelt. Er umfasse nur einen kleinen Teilbereich der Gesetzesproblematik und greife ausschließlich die Frage zweier miteinander verheirateter Frauen und derer Kinder heraus. Verheiratete Männer, Trans- und Intersexuelle sowie Mehrelternschaft und Elternschafts-Vereinbarung würden dagegen nicht berücksichtigt. Der Gesetzesentwurf wurde an den Ausschuss für Recht und Verbraucher_innenschutz überwiesen. Dort soll nun der Entwurf ausgearbeitet werden und eine diskriminierungsfreie Lösung gefunden werden.