Die Arbeitsgruppen im Track „Arbeit und Soziales“ auf dem 42. Feministische Jurist*innentag in Wien widmeten sich zwei speziellen Themen: Die Bekämpfung von Stereotypen im Arbeitsschutz und die Initiative für ein Wahlarbeitszeitgesetz. Eine feministische Sicht auf die Arbeitswelt und deren rechtliche Regulierung kann verfestigte Rollenbilder aufdecken und Lösungsansätze liefern. Einige Fragen blieben jedoch unbeantwortet und das Analysepotential der heutigen Arbeitsbedingungen wurde nur zum Teil ausgeschöpft.
Arbeitsschutz beruht auf konservativen Rollenbildern…
Die Frau ist von einer Inanspruchnahme, die ihre körperlichen Kräfte übersteigt, zu schützen. Arbeitsschutz für Frauen beschränkte sich bis in die 70er Jahre lediglich auf den Mutterschutz und bestimmte Beschäftigungsverbote wie das Nachtarbeitsverbot, das Verbot schwerer Arbeiten und das Arbeiten mit Gefahrstoffen. So wurden zu Beginn Frauen von körperlich schwerer Arbeit generell ausgeschlossen. Erst 1996 brachte die Reform zur Umsetzung der EU-Richtlinie das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) hervor. Darin fand sich insbesondere das an die*den Arbeitgeber*in gerichtete Verbot von „mittelbar oder unmittelbar geschlechtsspezifisch wirkende Regelungen“ in § 4 Nr. 8 ArbSchG. Diese sind nur zulässig, wenn dies aus biologischen Gründen zwingend geboten ist.
Bereits zuvor entschied 1992 das Bundesverfassungsgericht, dass das Nachtarbeitsverbot für Frauen gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 Absatz 1 und 3 Grundgesetz verstieß. Arbeitnehmerinnen* waren einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung ausgesetzt, da ihnen die besser bezahlte Arbeit in der Nacht versagt wurde.
… und ist heute noch von Stereotypen durchwachsen
Aber auch die „frauen*typischen“ Berufe, die angeblich weniger anstrengend, sauberer und nicht gesundheitsschädigend sind, tragen enormes Belastungspotential in sich. So ist die Arbeit als Pflegekraft mit immenser körperlicher Anstrengung verbunden und im Reinigungsgewerbe wird mit gefährlichen Stoffen hantiert. Für genau diese Bereiche wurden bereits Regelungen erkämpft, um die Arbeitnehmer*innen zu schützen.
Die arbeitsschützenden Regeln orientieren sich jedoch immer noch an männlichen Normen, also solche, die sich am Maßstabes eines Mannes ausrichten. Männer sollen vor allem vor den von Maschinen und chemischen Stoffen ausgehenden Gefahren geschützt werden. Gefahren anderer Art, wie Stress- und Lärmbelästigungen, beispielsweise im Kindergarten, sind als solche noch nicht anerkannt.
Die geschichtlichen Ausführungen und die Lücken im heutigen Arbeitsschutz wurden pointiert im ersten Workshop vorgetragen. Die aktuelle Arbeitsrealität vieler wartet jedoch mit Problemen auf, die eine genderbasierte Sichtweise nur zum Teil darstellen kann. So verschieben sich durch den wachsenden Dienstleistungssektor, die veränderten Produktionsbedingungen und die zunehmende Arbeitsverdichtung die Gefahrenquellen in einen Raum, der geschlechterunabhängig besteht.
Deutscher Juristinnenbund fordert Wahlarbeitszeitgesetz
Im zweiten Workshop stellte Anke Stelkens den vom Deutschen Juristinnenbund (djb) entworfenen Vorschlag für ein Wahlarbeitszeitgesetz (WAZG) vor. Die Gesetzesinitiative stehe im Zeichen der Care-Krise. Unbezahlte reproduktive Arbeit werde zum überwiegenden Teil von Frauen* getragen. Lohnarbeit sei insbesondere mit Schonpausen, der Sorgearbeit und Weiterbildungen nicht zu vereinen. Inhaltlich stützt sich der djb dabei auf das von Eva Kocher und anderen Autor*innen entwickelte „Recht auf selbstbestimmte Erwerbsbiografie“. Beschäftigte sollen sich daher ihre Arbeitszeiten selbst einteilen können. Den bereits identifizierten Probleme wie der Durchsetzbarkeit eines solchen Anspruchs, dem Entgeltausfall, und der Auswirkung auf dienstzeitabhängigen Ansprüche (wie Rente oder Arbeitslosengeld I) glaubt der djb mit seinem Entwurf entgegen treten zu können. Zudem habe man erkannt, dass Frauen* weniger durch Betriebsvereinbarungen geschützt seien, da sie häufiger in klein- und mittelständigen Betrieben arbeiteten, die schlechter organisiert und deshalb keinen Schutz durch Gewerkschaften erhalten würden.
Wahlarbeitszeitgesetz verkennt Arbeitsrealität und nichtbezahlte Care Arbeit
Wie will der djb nun all diese Probleme lösen? Die Lösungsformel lautet „Regulierte Selbstregulierung“. Mit einem Konzept aus der öffentlichen Verwaltung soll das Wahlarbeitszeitgesetz Betriebe dazu zwingen, Wahlarbeitszeitkonzepte mit der Belegschaft zu erarbeiten. Dabei sollen sowohl die Interessen der Arbeitnehmer*innen als auch der Arbeitgeber*in Berücksichtigung finden. Die Angestellten haben dann nach dem betriebsindividuell aufgestellten Verfahren einen individuellen Anspruch auf Geltendmachung ihrer Arbeitszeitwünsche.
Das WAZG verkennt dabei zum einen die Arbeitsrealität von vielen: Der Druck der Arbeitgeber*in ist oft so groß, dass sich die Angestellten nicht einmal trauen, einen Betriebsrat zu gründen, ohne gekündigt zu werden. Das Ungleichgewicht in der Verhandlungsmacht zwischen Arbeitgeber*in und -nehmer*in wird auch nicht durch die erhoffte Konzeption eines gemeinsamen Wahlarbeitszeitkonzepts gelöst, sondern eher verfestigt, wenn Arbeitgeber*innen ihre bessere Verhandlungsposition bereits in der Konzepterstellung ausspielen können. Ebenso werden sich die Geschlechtermodelle in Bezug auf unbezahlte Care-Arbeit reproduzieren, wenn Frauen* „freigestellt“ wird, wann und wie lange sie ihre Arbeitszeit reduzieren dürfen. Sie werden bei einer solch flexiblen Regelung weiterhin diejenigen sein, die im Falle der Sorgearbeit für Dritte, die Lohnarbeit niederlegen werden. Das WAZG ist in seiner emanzipativen Wirkung eher fragwürdig.
Arbeitsschutz und Wahlarbeitszeitgesetz als richtige Stellschrauben?
Die prekäre Beschäftigung nimmt mit Leiharbeit und Werkverträgen immer weiter zu, auch scheinheilige Gesetzesinitiativen werden und wollen anscheinend nichts daran ändern. Hinzu kommen neue Arbeitsformen wie das Crowdworking – Formen, die mit guter Bezahlung und Flexibilität werben, jedoch weder eine soziale Absicherung noch Arbeitnehmer*innenrechte bereithalten. Hinsichtlich der allumfassenden Probleme in der Arbeitswelt sind die Forderung nach besserem Arbeitsschutz und Wahlarbeitszeit nett, aber gehen nicht weit genug!
Realpolitische Forderungen müssen sich mit feministischen Grundsätzen der Selbstbestimmung und des Loslösens von Stereotypen messen lassen. Zu einem konsequenten Recht auf selbstbestimmte Erwerbsbiografie gehört auch ein Recht auf Faulsein, die Vorschläge des djb hingegen verlagern die Probleme nur auf einen effizienten und gut geschützten Raum der Arbeitsausbeutung.