Am 1. Januar 1991 trat das Embryonenschutzgesetz (ESchG) und mit ihm das Verbot der Eizellspende in Deutschland in Kraft. Mehr als 27 Jahre später und allen gesellschaftlichen und medizinischen Entwicklungen dieser Zeit zum Trotz gilt das Verbot heute noch immer. Warum eigentlich?
„Wenn auch die […] Übertragung fremder Eizellen heute technisch möglich [ist], so liegen andererseits doch keine Erkenntnisse darüber vor, wie junge Menschen — etwa in der Pubertätszeit — seelisch den Umstand zu verarbeiten vermögen, daß genetische wie austragende Mutter gleichsam seine Existenz mitbedingt haben. […] Unter diesen Umständen liegt die Annahme nahe, daß dem jungen Menschen, der sein Leben gleichsam drei Elternteilen zu verdanken hat, die eigene Identitätsfindung wesentlich erschwert sein wird.“ So steht es in der Begründung zum Gesetzesentwurf des ESchG vom Oktober 1989. Diesem gesetzgeberischen Wunsch zur Vermeidung einer gespaltenen Mutterschaft stehen rund 33.000 Eizellspenden in Europa im Jahr 2012 gegenüber. Kliniken in Spanien, Tschechien und anderen Ländern werben auf ihren Webseiten auf Deutsch mit Rabatten und „Abholservice vom Flughafen“. Deutsche Ärzt*innen und Berater*innen machen sich strafbar, wenn sie Patientinnen konkrete Kliniken oder Praxen empfehlen, deren Werbung um Kundinnen in Deutschland ist hingegen erlaubt. In Tschechien, einem der Hauptzielländer im Fortpflanzungstourismus, sind Deutsche an mehr als der Hälfte aller Eizelltransfers beteiligt. Die Samenspende hingegen ist in Deutschland bekanntlich legal. Vor dem Hintergrund des grundgesetzlichen Gleichbehandlungsgebots in Art. 3 GG, das eine Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts verbietet sowie dem auch das Recht auf Familiengründung umfassenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Wunscheltern und dem Selbstbestimmungsrecht der Eizellspenderin stellt sich somit die Frage, inwieweit ein pauschales Verbot der Eizellspende gerechtfertigt werden kann.
Das Kindeswohl als Hauptargument für das Verbot von Eizellspenden
Gegner*innen der Eizellspende und auch der Gesetzgeber von 1991 begründen ihre Ablehnung mit der Sorge um das Wohl des im Wege einer Eizellspende gezeugten Kindes. Dessen Identitätsfindung könne dadurch beeinträchtigt werden, und dies umso mehr, weil das Kind drei Elternteile und nicht, wie bei der Samenspende, zwei Elternteile habe. Dies rechtfertige auch eine Ungleichbehandlung von Eizell- und Samenspende. Aussagekräftige Langzeitstudien zur Entwicklung von Kindern nach einer Eizellspende liegen zwar nicht vor, der Gesetzgeber hat in solchen Fällen auch grundsätzlich eine Einschätzungsprärogative. Diese muss sich jedoch an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren. Nach neueren Untersuchungen ist für das Kindeswohl weniger die Zeugungsart als vielmehr die Qualität des Familienlebens ausschlaggebend (Thorn, Hess. Ärztebl. 2006, 173 (175), m.w.N.; Blake et al., Human Reproduction 2010, 2527 ff.; Golombok et al., Human Reproduction 2005, 286 ff.), zudem ist ein offener Umgang mit dem Kind über seine Entstehung wichtig.
Überdies trifft es zwar zu, dass es bei einer Samenspende im Gegensatz zur Eizellspende nicht zu einem Auseinanderfallen von genetischer und biologischer Vaterschaft kommt. Allerdings lässt sich allein daraus noch keine Ungleichbehandlung der beiden rechtfertigen. In beiden Konstellationen liegt ein Teil der genetischen Wurzeln des Kindes außerhalb der Familie, in der es aufwächst, und für die Kinder ist es gleichermaßen wichtig, zu erfahren, wo diese Wurzeln liegen. In der derzeitigen Situation haben Kinder, die nach einer Eizellspende geboren wurden, an diesem Punkt sogar deutlich „schlechtere Karten“ als die Kinder von Samenspendern. In den Hauptzielländern Spanien und Tschechien werden Eizellen nämlich häufig anonym gespendet – den Kindern wird somit jede Möglichkeit genommen, etwas über ihre genetische Herkunft zu erfahren. Genau dieses Wissen um die eigene Abstammung ist aber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts elementarer Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art 1 Abs. 1 GG. Aus diesem Grunde ist eine anonyme Samenspende in Deutschland auch nicht möglich. Die Eizellspende könnte in Deutschland ähnlich geregelt werden und so das Wohl der Kinder in diesem Bereich sehr viel effektiver schützen.
Spenden aus finanziellem Interesse – verwerflich nur, wenn Frauen es tun?
Ein heute gerne zur Begründung des Eizellspendeverbots gerne vorgebrachtes Argument greift die befürchtete Kommerzialisierung der Spende auf. Nach der deutschen Rechtsordnung ist es allerdings per se nicht verwerflich, für die Spende von Körperbestandteilen eine Aufwandsentschädigung zu erhalten. Bei der Blutspende ist dies üblich, und auch bei der Samenspende ist eine „Entlohnung“ der Spender gesellschaftlich akzeptiert. Auf einschlägigen Informationsportalen wird lediglich freundlich gemahnt, nicht allein aus finanziellen Motiven zu spenden. Letztendlich sei es aber für ungewollt kinderlose Paare „ein Segen, dass es diesen Nebenjob gibt“. Im Gegensatz zu einer Spende von Samen oder Blut ist die Eizellspende jedoch ein intensiver körperlicher Eingriff, der eine hormonelle Stimulation der Spenderin und die Entnahme unter Narkose erfordert. Beides ist mit gesundheitlichen Risiken verbunden, die bei der Samen- oder Blutspende nicht bestehen. Die Intensität des körperlichen Eingriffs an sich kann das Verbot allerdings nicht begründen. Einer erwachsenen Frau ist es aufgrund ihrer Handlungsfreiheit und des damit verbundenen Rechts auf körperliche und reproduktive Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG) zuzutrauen, Entscheidungen über ihre körperliche Integrität eigenverantwortlich zu treffen. Schließlich lässt es der Gesetzgeber – zu Recht! – auch zu, sich anderen medizinisch nicht notwendigen Operationen zu unterziehen. Behandlungen wie die zur Eizellspende erforderlichen (hormonelle Stimulation der Frau, Entnahme und Wiedereinsetzen von Eizellen) werden überdies bereits in Deutschland vorgenommen. Nur muss es sich nach derzeitiger Rechtslage bei Spenderin und Empfängerin um dieselbe Frau handeln – die Behandlung ist also aus Sicht des deutschen Gesetzgebers nicht per se so verwerflich, dass Frauen im Rahmen ihres körperlichen Selbstbestimmungsrechts und ihrer reproduktiven Autonomie nicht entscheiden könnten, ob sie sich ihr unterziehen wollen.
Auch aus dem Gedanken heraus, dass es der in Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Menschenwürde widerspricht, den eigenen Körper und seine Bestandteile zu kommerzialisieren, lässt sich ein generelles Verbot der Eizellspende nicht rechtfertigen. Gesetzgeberisch gibt es mehrere Möglichkeiten, einer solchen Kommerzialisierung entgegenzuwirken. Denkbar wäre etwa, die finanzielle Attraktivität der Eizellspende durch eine gesetzlich festgeschriebene Maximalhöhe der Aufwandsentschädigung zu mindern. Eine andere Option wäre, ähnlich wie bei der Lebendspende von Organen die Eizellspende nur für Angehörige oder nahestehende Personen zuzulassen. Dies würde zwar den altruistischen Charakter der Spende stärken, allerdings stellt sich dann auch die Frage, warum eine solche Einschränkung nicht auch für Samenspenden gelten sollte.
Das Verbot von Eizellspenden als Tabuschutz
Einer genaueren Betrachtung halten die zur Beibehaltung des derzeitigen Verbots vorgebrachten Gründe demnach nicht stand. Erwägungen des Kindeswohls und einer Vermeidung von Kommerzialisierungstendenzen sind zwar an sich legitim, allerdings führen sie nicht zu einem pauschalen Verbot der Eizellspende. Vielmehr nutzen sie der Aufrechterhaltung traditioneller Vorstellungen von Mutterschaft, verhindern in der Praxis aber nicht, dass Frauen eine Eizellspende in Anspruch nehmen. Wie der zunehmende Fortpflanzungstourismus aus Deutschland ins europäische Ausland zeigt, hat die gesellschaftliche Realität den Gesetzgeber in diesem Bereich längst überholt. Eine Anpassung der Rechtslage an diese Realität ist daher angezeigt. Eine Legalisierung der Eizellspende würde nicht nur die gesetzliche Ungleichbehandlung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts in der Reproduktionsmedizin beenden sowie das Recht der Wunscheltern und Eizellspenderin auf Familiengründung bzw. reproduktive Autonomie schützen. Auch um das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung effektiv durchzusetzen, müssen die geltenden Bestimmungen neu gefasst werden. Ein Kind wird im Zweifel auch unabhängig von der Rechtslage in Deutschland gezeugt – es ist nun am deutschen Gesetzgeber, festzulegen, ob dies unter besseren oder schlechteren Bedingungen geschieht.