Eine große Berliner Hausverwaltung befragt die Mietparteien, ob ein Asylbewerber in eine Wohngemeinschaft (WG) einziehen darf. Ein Verstoß gegen das Antidiskriminierungsrecht?
Dass man es als Geflüchteter auch in Deutschland nicht leicht hat, ist keine Neuigkeit.
Politische Diskussionen über die Begrenzung des Familiennachzugs, ein „Bürokratiedschungel“, der besonders undurchdringlich scheint, wenn man der deutschen Sprache noch nicht mächtig ist – all das sind Probleme, die Asylsuchende in Deutschland beschäftigen. Einen positiven Bescheid in der Hand zu halten, der die Übernahme von Wohnkosten zusichert, ist schon ein großer Erfolg.
Wer den nächsten Schritt wagt und versucht eine Wohnung oder ein WG-Zimmer zu finden, stößt auf Widerstand ganz anderer Art: Plötzlich findet eine Umfrage im Haus statt, ob ein Asylbewerber überhaupt als Nachbar erwünscht ist.
So passierte es Daouda*. Daouda flüchtete vor 3 Jahren aus dem Tschad. Er befindet sich zur Zeit im Asylverfahren. Nachdem er die Asylunterkunft verlassen und mehrere Zwischenstationen bei Freund*innen und Bekannten eingelegt hat, sucht er jetzt ein richtiges WG-Zimmer. Bei dieser Suche begleite ich ihn. Wir besichtigen gemeinsam eine WG im Wedding. Im Gespräch mit den WG-Bewohner*innen stellt sich heraus, dass die WG den Einzug eines Asylbewerbers bei der Hausverwaltung angekündigt hat, damit diese die Untervermietung rechtlich absegnet. Auf zwei Anfragen der WG antwortete die Hauverwaltung nicht. Stattdessen schickte sie eine Umfrage an alle Mietparteien mit dem Wortlaut: „Sind Sie damit einverstanden, dass ein Asylant im Haus einzieht? Kreuzen Sie bitte „Ja“ oder „Nein“ an.“
Muss Daouda jetzt nicht nur im sogenannten „WG-Casting“ glänzen, sondern auch noch auf großherzige Nachbar*innen hoffen? Anders gefragt: Darf die Hausverwaltung unter dem Deckmantel der Sorge um andere Mietparteien versuchen, Asylbewerber*innen aus ihren Häusern fernzuhalten? Es darf bezweifelt werden, dass bei der Bewerbung eines europäischen Erasmusstudenten ebenfalls eine solche Umfrage stattgefunden hätte. Handelt es sich bei einer solchen Umfrage nicht schlichtweg um Rassismus – und was wären die rechtlichen Folgen?
Bei der besagten Hausverwaltung handelt es sich um eine GmbH – eine juristische Person des Privatrechts. Geht man von der Privatautonomie aus, ein wichtiges Prinzip im deutschen Vertragsrecht, besteht grundsätzlich kein Kontrahierungszwang. Ein privater Eigentümer kann einen Mietvertrag schließen, wann und mit wem es ihm beliebt.
Gleichzeitig entfalten Grundrechte auch in zivilrechtlichen Schuldverhältnissen Wirkung. Artikel 3 Absatz 3 GG verbietet rassistische Diskriminierung. Im Privatrecht ist die Vorschrift zwar nicht unmittelbar anwendbar, aber ihre Wirkung muss grundsätzlich gesichert sein. Im Lichte dieser Vorschrift ist es mindestens problematisch, einem Asylbewerber grundsätzlich ein Mietverhältnis zu verwehren. Aber auch einfachgesetzlich existieren Regelungen, die dagegen sprechen. So enthält das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) explizit ein zivilrechtliches Benachteiligungsverbot. Rassistische Zuschreibungen oder die Herkunft dürfen danach kein Grund sein, ein Mietverhältnis zu verwehren. Indem einem Asylbewerber als Mieter also der Zugang zu Wohnraum erschwert oder gänzlich verwehrt wird, liegt ein Verstoß gegen das AGG vor. Die Rechtsfolgen sind ein Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch, Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche.
Juristisch hätte man also durchaus eine Grundlage, um gegen die Hausverwaltung vorzugehen. In einer fast schon spektakulären Entscheidung verurteilte das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg Anfang des Jahres einen Vermieter, der nur den Mieter*innen mit arabischem bzw. türkischem Name eine Mieterhöhung angekündigt hatte, wegen rassistischer Diskriminierung zu einer Entschädigung in Höhe von 30.000 Euro.
Häufig ist die Tatsache, dass Diskriminierung rechtswidrig ist, aber nicht bekannt oder wird nicht genutzt. Und selbst wenn es dazu kommt, wird oft ein Weg gefunden, das aufgeworfene Problem anderweitig zu lösen, um das Thema Rassismus nicht vor Gericht zu thematisieren.
Gleichwohl ist es wichtig, besonders dieser Tage das Problem Rassismus auch im Alltag deutlich zu benennen.
Wie soll eine erfolgreiche Integration zahlreicher Geflüchteter stattfinden, wenn die Menschen vielfach schlicht nicht erwünscht sind? Dabei wird die Angst vor dem Unbekannten als bequemere Erklärung für rassistische Äußerungen oder rassistisches Verhalten vorgeschoben: „Ich hab nichts gegen Ausländer, aber…“. Das aber macht es für eine WG, die das Zimmer an einen Geflüchteten vermieten wollte, schwer. Denn mit welcher Argumentation soll der Hausverwaltung entgegengetreten werden, wenn es Rassismus in Deutschland offiziell gar nicht gibt?