Rassistisches Antidiskriminierungsrecht? Erfolgreiche Klage gegen Diskriminierungen durch Vermieter*innen und Gesetze

Eine deutsche Staatsangehörige mit türkisch klingenden Namen möchte eine Wohnung in Hamburg anmieten. Sie verschickt mehrere identische Bewerbungen – zuerst unter ihrem türkischen Namen, dann unter fiktiven deutschen Namen. Auf die türkisch klingenden Bewerbungen erhält sie Absagen, auf die deutschen Zusagen. Jetzt wurde ihr dafür vom Amtsgericht Hamburg-Barmbek eine Entschädigung wegen Diskriminierung zugesprochen. Total logisch? Nicht ganz – Folgendes ist bemerkenswert:

Anspruchsgrundlage: Das AGG

Die erste Besonderheit liegt in der gewählten Anspruchsgrundlage:  § 21 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Das ist deshalb erwähnenswert, da die von Arbeitgebenden- und Wirtschaftsverbänden gleichermaßen beschworene Klagewelle nach Erlass des AGG im Jahr 2006 ausblieb. Trotz seiner enormen politischen Strahlkraft konnten bisher weder die allgemeine Rezeption durch die Öffentlichkeit, noch die Anzahl der daraufhin erfolgreich geführten Prozesse den Diskriminierungserfahrungen in Deutschland gänzlich gerecht werden. Eine erfolgreiche Klage auf Grundlage des AGG (insbesondere im hier einschlägigen zivilrechtlichen Teil) muss somit zwangsläufig auf Beachtung stoßen.

Das AGG ist ein Meilenstein der Antidiskriminierungsrechtsetzung in Deutschland. Während sich das allgemeine Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 GG vorrangig auf Abwehrrechte gegen den Staat beschränkt und zumindest unmittelbar keinerlei Auswirkungen auf den Zivilverkehr hat, schließt das AGG diese Lücke. Nicht nur werden Arbeitgeber*innen verpönt, die Arbeitnehmer*innen in Bewerbungssituationen, im Arbeitsalltag oder bei der Vergabe von Beförderungen diskriminieren (aufgrund rassistischer Zuschreibungen, der ethnischen Herkunft, einer Behinderung, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, des Lebensalters und der sexuellen Identität). Das AGG gebietet weiterhin, dass die genannten Merkmale beim Abschluss sogenannter Massengeschäfte keine Rolle spielen dürfen. Massengeschäfte sind die Geschäfte, die typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen geschlossen werden.

Das Testingverfahren

Da Diskriminierungen zumeist schwer nachweisbar sind, bediente sich die Klägerin der weiter oben beschriebenen Methode: Sie bewarb sich unter verschiedenen Namen. Dieses sogenannte „Testing“ ist eine im Bereich der Wohnraummiete ausdrücklich zugelassene Strategie, derer sich kürzlich auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes für ihre Studie zu Diskriminierungen auf dem Wohnungsmarkt bediente. Den durch das Testing implizierten Eindruck, die Wohnungsbaugesellschaft habe die Klägerin aufgrund ihrer ethnischen (vermeintlich türkischen) Herkunft nicht zu weiteren Gesprächen eingeladen, vermochte diese nicht zu widerlegen. Dass die Klägerin deutsche Staatsangehörige ist, spielt dabei keine Rolle.

Rassismus auf dem Wohnungsmarkt – ein strukturelles Problem

Was nun folgt, verdeutlicht die eigentliche Durchschlagskraft des Falls: Während Benachteiligungen aufgrund der übrigen AGG Merkmale nicht zwangsläufig rechtswidrige Diskriminierungen darstellen und sich teilweise durch im AGG gelistete Gründe rechtfertigen lassen, lassen sich Benachteiligungen wegen rassistischer Zuschreibungen oder der ethnischen Herkunft ausnahmsweise nicht nur bei Massengeschäften sondern auch in der Begründung aller sonstigen zivilrechtlichen Schuldverhältnisse unter keinem Umständen rechtfertigen. Umso schockierender ist die bis dato erfolgte Auslegung des folgenden Rechtfertigungstatbestandes durch Gerichte und Vermieter*innen, auf den sich auch die Beklagte im laufenden Verfahren berief:

„Bei der Vermietung von Wohnraum ist eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen und ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse zulässig“. (§ 19 Abs. 3 AGG)

Was vor dem erläuterten Hintergrund schwer zu glauben ist, war bittere Realität auf deutschen Wohnungsmärkten: Unter dem fadenscheinigen Deckmantel der Integrationsbemühung kam es auf Grundlage dieser Klausel zu einem strukturellen Ausschluss ethnischer Minderheiten bei der Vergabe von Wohnraum in Wohnbeständen, in denen der Migrant*innenanteil als besonders hoch galt.

Was sagt das EU Recht?

Diese Auslegung ist problematisch: Das AGG ist keine primär deutsche Errungenschaft. Es brauchte vier Europäische Richtlinien, sechs Jahre Umsetzungszeit, zwei Verurteilungen Deutschlands durch den Europäischen Gerichtshof wegen Nichtumsetzung und die Androhung von Strafzahlungen, bis es seinen Weg ins Bundesgesetzblatt fand. Es muss sich somit an den Europäischen Vorgaben messen lassen. Grundlage für diesen Fall ist Art. 2 Abs. 2 lit.a der Antirassismusrichtlinie RL 2000/43 EG. Was in Kommentarliteratur und Forschung fast schon Konsens ist, wurde durch Gerichte und Akteur*innen des Wohnungsmarktes bisher ignoriert: Die Richtlinie lässt Rechtfertigungen bezüglich rassistischer Diskriminierungen schlicht nicht zu.

Positive Maßnahmen

Als erstes deutsches Gericht legte nun das Amtsgericht Hamburg–Barmbek die Klausel europarechtskonform aus: Ungleichbehandlungen aufgrund der ethnischen Herkunft seien einzig legitim, wenn die Maßnahme nach Art. 19 Abs. 3 AGG positiv sei, also zugunsten marginalisierter Gruppen erfolge. Das bedeutet: Hätte die Klägerin den Zuschlag für die Wohnung gerade wegen ihrer (vermeintlich) türkischen Herkunft bekommen, um so bestehende Nachteile ethnischer Minderheiten bei der Vergabe von Wohnraum auszugleichen, wäre dies zulässig gewesen. Die Möglichkeit zur Durchführung positiver Maßnahmen ist nicht nur europarechtlich vorgesehen – wie beispielsweise Art. 5 der Antirassismusrichtlinie konstatiert – sondern fand über Art. 5 auch Einzug ins deutsche AGG.

Ein strategischer Erfolg

Das Gericht hat eine längst überfällige Klarstellung getroffen, die der zuvor erläuterten diskriminierenden Praxis Einhalt gebieten und viele Vermieter*innen aufgeschreckt haben dürfte. Zugleich lässt sich an der niedrigen Anzahl an Klagen gegen Wohnraumdiskriminierung ablesen, dass rechtliche Gewähr und soziale Wirklichkeit immer noch auseinanderfallen. Neben der juristischen Signalwirkung muss daher die Rolle des unabhängigen Antidiskriminierungsbüros Basis und Woge in Hamburg gewürdigt werden, das die Klägerin im Prozess als Beistand nach Art. 23 AGG unterstützte. Hier zeigt sich die Unverzichtbarkeit unabhängiger Stellen, die Ressourcen und juristischen Sachverstand zur Mobilisierung von Recht gegen Diskriminierung zur Verfügung stellen und Betroffene unterstützen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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