Am 1. Juli diesen Jahres soll das im Herbst 2016 erlassene Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) vollumfänglich in Kraft treten. Es sieht erstmals eine Anmeldepflicht für Prostituierte / Sexarbeiter_innen vor, die höchst umstritten ist.
Das ProstSchG – ein Novum im deutschen Recht
Das ProstSchG ist die erste umfassendere Regulierung der freiwilligen Prostitution / Sexarbeit in Deutschland – und damit ein Novum. Zunächst war freiwillige Prostitution zwar nicht verboten, galt aber rechtlich als sittenwidrig. Das Prostitutionsgesetz vom 20. Dezember 2001 enthielt lediglich kursorische Regelungen zur Wirksamkeit der Entgeltforderung der Prostituierten und zur Ermöglichung des Zugangs in die Sozialversicherung. Nun erfolgte eine Legalisierung der freiwilligen Prostitution / Sexarbeit, mit der gesetzgeberisch die Entscheidung, sexuelle Dienstleistungen gegen Entgelt anzubieten als Ausdruck des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung und der Berufswahl- und Beraufsausübungsfreiheit anerkannt wird. Die Tätigkeit in der Prostitution / Sexarbeit und Prostitutionsstätten werden damit erstmals umfassend gewerberechtlich geregelt, auch wenn es weiterhin an baunutzungsrechtlichen Vorschriften und Vorschriften zu Mindeststandards für die Straßenprostitution fehlt. Neben der Erlaubnispflicht für Prostitutionsgewerbe enthält es eine Anmeldepflicht für Prostituierte / Sexarbeiter_innen.
Die Anmeldepflicht
Gem. §§ 3 ff. ProstSchG setzt die Tätigkeit als Prostituierte eine Anmeldung voraus, die durch unter 21-jährige Personen einmal jährlich, für ab 21-jährige Personen alle zwei Jahre zu erfolgen hat. Über die Anmeldung wird eine Bescheinigung erteilt, die unter anderem ein Lichtbild der angemeldeten Person, deren Vor- und Nachname, Geburtsdatum und –ort sowie die Staatsangehörigkeit enthält. Es kann auch eine Aliasbescheinigung erteilt werden, die aber nicht nur mit dem Aliasnamen der Person, sondern auch mit deren Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und einem Lichtbild zu versehen ist. Die Bescheinigung ist bei der Ausübung der Prostitution mit sich zu führen. Im Zusammenhang mit der Anmeldung hat die Behörde ein Informations- und Beratungsgespräch zur Rechtslage, zur Sozialversicherung, zu Beratungsangeboten und zur Steuerpflicht zu führen. Die Erteilung der Anmeldebescheinigung setzt schließlich eine Gesundheitsberatung voraus.
Auch wenn Gewerbe gewöhnlich anzumelden sind, ist eine Anmeldepflicht für Prostituierte / Sexarbeiter_innen ausgesprochen heikel. Dies bemängeln nicht nur Selbsthilfeorganisationen und Sexarbeiter_innen. So fand am 9. und 10. Februar in Leipzig die Tagung „Das Prostituiertenschutzgesetz. Implementierung – Problematisierung – Sensibilisierung“ statt, an der Selbsthilfeorganisationen und Sexarbeiter_innen ebenso teilnahmen wie Vertreter_innen aus Politik und Wissenschaft, von Fachberatungsstellen zu freiwilliger Prostitution und gegen Menschenhandel sowie von Behörden. In den gemeinsamen Diskussionen kristallisierte sich als ein wesentlicher Kritikpunkt am neuen Gesetz klar die Anmeldepflicht heraus.
Das Problem mit der Anmeldepflicht
Die Regelung dürfte Personen im Blick haben, die sich nicht ohne weiteres über diese Aspekte ihrer Tätigkeit informieren können, vermutlich Ausländer_innen. Für diese könnte es tatsächlich eine Möglichkeit sein, mit deutschen Behörden in einen nicht vordergründig repressiven Kontakt zu kommen, wichtige Information zu erhalten sowie Zugang zu gesundheitlicher Beratung und, wenn sie es wünschen, gesundheitlicher Untersuchung zu bekommen. – Jedenfalls wenn sie einen legalen Aufenthaltsstatus haben.
Es dürfte auch einige inländische Sexarbeiter_innen geben, für die die Anmeldung relativ unproblematisch ist – wenn sie ohnehin offen zu ihrer Tätigkeit stehen, etwa weil sie als Sexarbeiter_innen für die Rechte von Sexarbeiter_innen eintreten. Die Regelung birgt aber eine unverhältnismäßige Gefahr des Outings für Personen, die ihrer Tätigkeit bislang im Verborgenen nachgehen, weil sie - nicht zu Unrecht – Diskriminierung und Stigmatisierung in ihrem Umfeld für den Fall eines Outings befürchten. Aufgrund des Lichtbildes und des Geburtsdatums ist für jemanden, der die Person kennt, selbst mit der Aliasbescheinigung leicht nachvollziehbar, wer sich einmal als Prostituierte angemeldet hat.
Hinzu kommt, dass es eine große Gruppe von Personen geben dürfte, die aufgrund ihrer persönlichen Verfassung und Lebensumstände schlicht nicht in der Lage sind, den Gang zur Behörde zu tun, zum Beispiel Personen in der Beschaffungsprostitution. Diese wird über Bußgeldvorschriften (§ 33 I ProstSchG) letztlich illegalisiert, obwohl sie eigentlich gesellschaftlicher und staatlicher Unterstützung bedarf. Der weitere Ausbau und die grundlegende finanzielle Absicherung niedrigschwelliger, aufsuchender und bedarfsgerechter Sozialarbeit zur Unterstützung von Personen in der freiwilligen Prostitution / Sexarbeit wäre hier die bessere Alternative gewesen. Diese ist bislang noch nicht bundesweit gewährleistet, beispielsweise gibt es in Sachsen keine unabhängige Beratungsstelle für freiwillige Prostitution / Sexarbeit.
Das Problem mit den Anmeldebehörden
Bislang unklar ist auch, welche Behörden in den einzelnen Bundesländern die Anmeldungen entgegen nehmen, wer konkret das Informations- und Beratungsgespräch durchführen und: welche Gebühr dafür erhoben wird. Damit das Gespräch nicht zur reinen Farce wird, werden Vorkehrungen zu treffen sein, um ein ungewolltes Outing zu verhindern. Das Informations- und Beratungsgespräch sollte zudem von einer_m emphatischen Sachbearbeiter_in geführt werden, der_die die Besonderheiten und die Heterogenität der freiwilligen Prostitution / Sexarbeit kennt. Auch Sprachmittler_innen werden einzusetzen sein. Diese Behörden erstmals einzurichten und deren Tätigkeit fachlich abzusichern, ist Sache der Länder. Es bestehen erhebliche Zweifel, ob dies in den dafür noch verbleibenden dreieinhalb Monaten in jedem Bundesland adäquat gelingt. Das Gesetz soll am 1. Juli dieses Jahres vollumfänglich in Kraft treten. Die Personen in der freiwilligen Prostitution / Sexarbeit, die das Prostituiertenschutzgesetz eigentlich schützen soll, sind erheblich verunsichert und zu Recht empört.