Der Fall „Sepur Zarco“: Gerechtigkeit für 15 Maya-Q´eqchi Frauen

Ein nationales Strafgericht in Guatemala wertete sexualisierte Gewalt, Vergewaltigung, häusliche und sexuelle Sklaverei als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Erstmals weltweit erkannte dieses nationale Strafgericht zudem an, dass sexualisierte Gewalt systematisch von der Armee während eines bewaffneten Konfliktes als Kriegswaffe eingesetzt wurde. Die verantwortlichen Militärangehörigen wurden zu insgesamt 360 Jahren Haft verurteilt.

Das Urteil bezieht sich auf den als „Sepur Zarco“ bekannten Fall. Die Maya-Q´eqchi Gemeinde Sepur Zarco befindet sich im Polochic Tal an der Grenze der Verwaltungsbezirke Alta Verapaz und Izabal im Osten Guatemalas.  Dort befand sich zwischen 1982 und 1988 während des Bürgerkrieges ein gleichnamiger Militärstützpunkt. Der Konflikt zwischen dem Militär und der Gemeinde entbrannte in Zusammenhang mit dem Antrag einiger Gemeindemitglieder zur rechtlichen Anerkennung ihrer Ländereien, die sie als Ureinwohner seit mehr als 500 Jahren über Generationen besitzen und bewirtschaften. Die Männer wurden unter dem Vorwand gewaltsam verschleppt, sie würden die Guerilla unterstützen. In diesem Rahmen wurden besonders in den 80er Jahren soziale Aktivist_innen ermordet oder verschleppt.

Im August 1982 wurden 20 der hinterbliebenen Frauen in den Militärstützpunkt Sepur Zarco verschleppt, wo sie bis zu sechs Jahre lang von Soldaten als Sexsklavinnen festgehalten wurden. Massenvergewaltigungen fanden regelmäßig statt und sie wurden gezwungen, für die Soldaten zu kochen und die Uniformen zu waschen. Eine der verschleppten Frauen wurde während dieser Zeit zusammen mit ihren zwei minderjährigen Töchtern ermordet.

15 Q´eqchi Frauen

Dass sie im Gerichtssaal sitzen, ist in einem Land mit ausgeprägten patriarchalen Strukturen und enormen sozialen Ungleichheiten, wo die indigene Bevölkerung auf Grund rassistischer Diskriminierung ausgegrenzt wird, keine Selbstverständlichkeit. Über 30 Jahre lang haben sie geschwiegen: nicht nur aus Angst und Scham. Die Barrieren die sie überwinden mussten, um Gerechtigkeit zu erlangen, sind groß. Sie leben in extremer Armut, sind monolingual, sie sprechen Q´eqchi, sind Analphabetinnen, leben in einer Region mit schwacher Infrastruktur und haben keinen Zugang zu Bildung, Justiz und gesundheitlicher Versorgung.

Erst durch die Unterstützung von mehreren Menschenrechtsorganisationen, die über sechs Jahre die Frauen begleitet haben, konnte dafür gesorgt werden, dass geschlechtergerecht verfahren und in einer adäquaten Weise mit den Betroffenen umgegangen wurde. Sie sorgten z.B. dafür, dass die Aussagen der Frauen aufgenommen und im Rahmen der vorzeitigen Beweisaufnahme eingereicht wurden, um Retraumatisierung und Reviktimisierung zu vermeiden.  Zivilgesellschaftliche Organisationen haben die Klage vorbereitet und das Verfahren begleitet. Darüber hinaus wurden in der Region um den und im Exmilitärstützpunkt Exhumationen durchgeführt und es fanden sich in den Massengräbern auch einige der damals vom Militär ermordeten Ehemänner.

Ein historisches Urteil

Nach vier Wochen Gerichtsverhandlung wurde am 26. Februar das Urteil verkündet. Ein Urteil mit Signalwirkung für die ganze Region.

Es handelt sich um die erste Verurteilung von Militärangehörigen wegen sexualisierter Gewalt im Bürgerkrieg. Oberstleutnant Esteelmer Reyes Girón wurde wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Form von sexualisierter Gewalt und Sklaverei und für den Mord an einer der zuvor genannten Frauen und ihren beiden minderjährigen Töchtern zu 120 Jahre Haft verurteilt. Der zweite Angeklagte, Ex-Militärkommissionär Heriberto Valdez Asij, wurde wegen gewaltsamen Verschwindenlassens von sieben Männern und ebenfalls wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wegen sexualisierter Gewalt und Sklaverei zu 240 Jahren Haft verurteilt.

Das Gericht war davon überzeugt, dass durch die massive psychische und sexualisierte Gewalt die Lebensgrundlage der ganzen Gemeinde zerstört wurde.

Berichte über massenhafte Vergewaltigung und Sklaverei in bewaffneten Konflikten sind nicht neu. Neu jedoch ist die Anerkennung des systematischen Einsatzes dieser Taten mit dem Ziel, die Zivilbevölkerung zu zerstören, sowie ihre Einstufung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch ein nationales Gericht.

Die Wiedergutmachungsansprüche sind ebenso wichtig wie das eigentlich Verfahren. Das Gericht stufte die Bewohner_innen der Region als benachteiligt ein und verpflichtet die guatemaltekische Regierung die Infrastruktur in der Region zur verbessern. Das Bildungs- und das Gesundheitsministerium sollen ihre Präsenz in der Region verstärken, Schulen und ein Krankenhaus sollen gebaut werden.

Aufarbeitung der Bürgerkriegsverbrechen

Dies ist nur der Anfang. In den Medien in Guatemala kursieren Zahlen um die noch kommenden Verfahren.  Tausende Akten sollen im Justizministerium bereit liegen. Mindestens noch ein Prozess, der Fall „Creompaz“ gegen 14 hochrangige Armeeangehörige ist für diesen Monat angesetzt.

Das System des stattlichen Terrors gegen die eigene Bevölkerung wird langsam sichtbar.

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