Frauenarmut und Kinder zweiter Klasse: Das Ehegattensplitting

Am 7. März 2017 veröffentlichte der Ausschuss der UN-Frauenrechtskonvention seine abschließenden Bemerkungen zum Staatenbericht Deutschland. Er forderte Deutschland dazu auf, Maßnahmen gegen Frauenarmut zu ergreifen und verwies zu Recht auf das Ehegattensplitting. Die entsprechenden steuerrechtlichen Vorschriften zementieren nicht nur die ungleiche Verteilung finanzieller Ressourcen zwischen Männern und Frauen, sondern diskriminieren auch unehliche Kinder.

Ehegattensplitting und Frauenarmut

Weil beim Splitting in Verbindung mit dem progressiven Steuersatz am meisten Geld gespart werden kann, wenn ein Ehepartner möglichst viel und die andere Person möglichst nichts verdient, entscheiden sich viele verheiratete Paare aus pragmatischen Gründen für das Ernährermodell (eine Person geht Vollzeit arbeiten, die andere bleibt zu Hause). Dies zumindest ab dem Zeitpunkt, wenn Kinder geboren werden, faktisch Betreuungsarbeit geleistet werden muss, das Geld knapper und die Hausarbeit mehr wird. Den Statistiken nach ist die zu Hause bleibende Person zumeist immer noch die Frau. Zum Problem wird diese Rollenverteilung insbesondere, wenn sich die Ehepaare trennen. Weil nämlich der nacheheliche Unterhalt gekürzt wurde, weil die zu Hause geleistete Betreuungsarbeit in den seltensten Fällen für eine Rückkehr in den Beruf qualifiziert und zudem außerhalb der Elternzeit auch nicht zu Rentenansprüchen führt, rutschen viele Frauen, die in dieser Rollenverteilung lebten, nach einer Scheidung in die Armut.

Kindbedingter Mehrbedarf oder Solidargemeinschaft als Begründung

Als das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) 1957 Steuerrleichterungen für Ehepaare forderte, ging es den Vorstellungen der damaligen Zeit entsprechend von einer Einheit von Ehe und Familie in Art. 6 Abs. 1 GG aus. Kinder gehörten zu Ehen und außerhalb von Ehen gab es keine richtigen Familien. Bis heute schwingt der typischerweise in Familien mit Kindern entstehende finanzielle Mehrbedarf als Begründung für die massiven steuerlichen Entlastungen von Ehepaaren mit.

Obwohl auch in den aktuellen Entscheidungen des BVerfG der kindbedingte Mehrbedarf immer wieder zitiert wird, soll er doch andererseits ganz unerheblich sein. Einziger Grund für die Gewährung der steuerlichen Entlastungen durch das Ehegattensplitting soll sein, dass zwei Personen – und dabei ist seit der Entscheidung des Gerichts vom 7. Mai 2013 gleichgültig, ob sie gegengeschlechtlich oder gleichgeschlechtlich sind – eine Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs bilden. Angesichts der Höhe der steuerlichen Entlastung (immerhin 20 Milliarden Euro pro Jahr) ist der Verweis auf die den Staat finanziell entlastende Solidargemeinschaft von Zweipersonenkonstellationen nicht ausreichend – jedenfalls dann nicht, wenn dieselben Regelungen diskriminierend und ausschließend wirken.

Steuerlich stärker belastete Familien

Steuerrechtlich gibt es keine dem Splitting vergleichbare Entlastung für Eltern, deren Kinder in nicht-ehelichen Familien aufwachsen. Mittels der Steuerklasse II lässt sich selbst bei gutem Verdienst mit dem Ersparten gerade einmal ein paar gute Kinderschuhe bezahlen und auch die Freibeträge greifen erst zu spät. Schon früh versuchten verwitwete Alleinerziehende ihre Benachteiligung geltend zu machen und die finanzielle Erleichterung um die Vorschriften des Ehegattensplittings herum zu erlangen, scheiterten aber an der formalistischen Berufung auf das Fehlen einer Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs in ihrem Fall. Eine zynische Aussage, wenn man bedenke, dass es in Einelternfamilien genau genommen nur an einer Gemeinschaft des Erwerbs fehlt, nicht aber an einer Gemeinschaft des Verbrauchs – und dass dieser Verbrauch umso schwerer wiegt, weil weniger Personen am Erwerb beteiligt sind.

Die Diskriminierung unehelicher Kinder nach Art. 6 Abs. 5 GG

Art. 6 Abs. 5 GG fordert vom Gesetzgeber, nichtehelichen Kindern gleiche Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung zu schaffen, wie ehelichen Kindern. Das Diskriminierungsverbot greift auch in Fällen mittelbarer Schlechterstellung, wie das BVerfG in einem Beschluss am 28. Februar 2007 klar formulierte. Damals bejahte der erste Senat des BVerfGs eine Diskriminierung, weil Elternteile ehelicher Kinder einen längeren Unterhaltsanspruch wegen Betreuung geltend machen konnten als nicht verheiratete Elternteile für ihre unehelichen Kinder.

Das Fehlen einer dem Ehegattensplitting im Umfang vergleichbaren steuerlichen Erleichterung für nicht verheiratete / verpartnerte Eltern stellt deren Kinder finanziell schlechter und diskriminiert sie mittelbar.

Die Pflicht zum Tätigwerden des deutschen Gesetzgebers

Der grundsätzlich weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers in steuerrechtlichen Entscheidungen ist hier nicht nur vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs.2 GG problematisch, sondern auch durch den klaren Verfassungsauftrag aus Art. 6 Absatz 5 GG beschränkt. Der deutsche Staat muss endlich tätig werden und positive Regelungen zur Gleichstellung und Gleichbehandlung aller Kinder unabhängig vom Familienstand ihrer Eltern schaffen. Diese Pflicht zur Gleichbehandlung ergibt sich im Übrigen auch aus der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen, die Deutschland ratifiziert hat.

 

 

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