(K)eine Frage des Alters – Die Open-ended Working Group on Ageing trifft sich in New York

Mit der zunehmenden Alterung der Bevölkerung steigt auch die Zahl derjenigen, die potentiell von Diskriminierung aufgrund des Alters betroffen sind. Bis 2020 wird circa eine Milliarde Menschen weltweit 60 Jahre oder älter sein, bis 2050 sogar zwei Milliarden. Dennoch ist der Menschenrechtsschutz Älterer weiterhin lückenhaft. Auf der 8. Sitzung der United Nations Open-ended Working Group on Ageing (OEWG) wurden daher zum wiederholten Mal Forderungen nach einer neuen Konvention zum Schutz der Rechte älterer Menschen laut.

Wer ist die OEWG?

Die Open-ended Working Group on Ageing ist eine Arbeitsgruppe, die 2010 von der UN-Generalversammlung eingesetzt wurde und die aus Repräsentant*innen der UN-Migliedsstaaten besteht.  Ihre Aufgabe ist es, die Menschenrechte älterer Personen weltweit voranzubringen und zu stärken. Dazu analysiert sie die rechtlichen Rahmenbedingungen in den Mitgliedsstaaten und macht auf Probleme oder Schutzlücken aufmerksam. Im Anschluss daran legt sie Vorschläge zur Verbesserung der Rechtslage vor. Schwerpunkt der Arbeit bilden die jährlichen Sitzungen der Arbeitsgruppe. Seit 2014 wird die Arbeit der Working Group durch die erste Unabhängige Expertin für die Menschenrechte von älteren Personen unterstützt. Diese hat die Möglichkeit, zur Verbesserung der Rechtslage und der Sensibilisierung der Öffentlichkeit auch Länderbesuche durchzuführen. Weiterhin kann sie Berichte und Empfehlungen abgeben sowie Studien erarbeiten. Die Ergebnisse ihrer Arbeit dienen auch als Grundlage für die Sitzungen der Arbeitsgruppe. Deren 8. Sitzung fand nun vom 5. – 7. Juli 2017 in New York statt, erstmalig auch unter Beteiligung nationaler Menschenrechtsorganisationen.

Ein globales Phänomen

Lückenhafter Schutz älterer Menschen vor Diskriminierung ist ein globales Problem. Während in anderen Bereichen in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt wurden, wurden Ältere lange gar nicht als schützenswerte Gruppe wahrgenommen. So taucht beispielsweise nur in sehr wenigen Verfassungen und Gesetzen „Alter“ überhaupt als Diskriminierungskategorie auf. Auch Art. 3 des Grundgesetzes (GG) kennt dieses Merkmal nicht explizit. Es handelt sich um einen blinden Fleck in vielen Antidiskriminierungsgesetzen. Dabei sind Ältere, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt oder im Bereich der Bank- und Versicherungsdienstleistungen, verstärkt der Gefahr von Diskriminierung ausgesetzt.

Während in anderen Themenfeldern umfassende Übereinkommen erzielt wurden, beispielsweise die das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die UN-Kinderrechtskonvention oder die UN-Konvention gegen Rassismus, findet der Schutz älterer Personen vor Diskriminierung bislang gar nicht oder überwiegend fragmentarisch statt.

Innerhalb des bestehenden Menschenrechtssystems finden sich zwar durchaus Regeln, die geeignet sind, Ältere vor Diskriminierung zu schützen. So kennt beispielsweise Art. 14 EMRK einen offenen Katalog von Diskriminierungsmerkmalen, sodass Alter als „sonstiger Status“ erfasst werden kann. Bei den bestehenden menschenrechtlichen Normen handelt es sich jedoch üblicherweise um in ihrem Anwendungsbereich begrenzte Rechtssätze. Die bestehenden UN-Konventionen enthalten – wenn überhaupt –  nur am Rande Regelungen zum Schutz der Rechte Älterer. Weiterhin handelt es sich dabei üblicherweise nicht um Regeln, die in erster Linie den Schutz älterer Menschen bezwecken, sondern um Regeln, die im Nebeneffekt auch auf sie anwendbar sind. An konkret auf diesen Zweck ausgerichteten Regelungen fehlt es meistens. „Alter“ als Diskriminierungsmerkmal wird in den meisten bestehenden Menschenrechtspapieren nur als Teil von „aus sonstigen Gründen“ bei offenen Katalogen gedacht. Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GrCh) stellt dabei eine Ausnahme dar, indem er Diskriminierung aufgrund des Alters explizit verbietet.

Bestimmten Problemlagen ist jedoch mit offenen Katalogen nicht beizukommen. Insbesondere Bereiche wie der Zugang älterer Menschen zu sozialen Sicherungssystemen oder der Zugang zu Palliativmedizin tauchen im Menschenrechtssystem gar nicht auf. Ebenfalls nicht erfasst werden besondere Fälle der Mehrfachdiskriminierung, die beispielsweise ältere Frauen oder ältere Menschen mit Migrationshintergrund verstärkt trifft. In derartigen Bereichen erfordert wirksamer Diskriminierungsschutz vielmehr positive Maßnahmen, die eine stärkere gesetzliche Regelung erforderlich machen. Dabei ist es nicht nur Sache der jeweiligen nationalen Gesetzgeber, sondern gerade auch Aufgabe der globalen Menschenrechte, die Notwendigkeit solcher Maßnahmen deutlich zu machen.

Das Analytical Outcome Paper des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte aus dem Jahre 2012 bezeichnete den Schutz älterer Menschen vor Diskriminierung als „inadäquat, lückenhaft und uneinheitlich“. Schon bei der Diskussion dieses Berichts wurde deshalb Möglichkeit einer den oben genannten Rechtstexten vergleichbaren Konvention zum Schutze älterer Menschen von einzelnen Staatenvertretern, insbesondere aber durch NGOs in ihren Stellungnahmen als Lösungsvorschlag eingebracht. In starker Anlehnung an die Behindertenrechtskonvention fordern die Befürworter Normen zum umfassenden Schutz älterer Menschen in allen Lebenslagen und Lebensbereichen. Dazu kam es jedoch nicht und so besteht insbesondere das Problem der Uneinheitlichkeit fort, gibt es doch bis heute keine globalen Übereinkünfte.

Entwicklung in kleinen Schritten

Seit diesem Bericht von 2012 hat sich durchaus einiges getan. So ist etwa auf regionaler Ebene das Protokoll der Afrikanischen Union zur „African Charter on Human and Peoples‘ Rights on the Rights of Older Persons in Africa“, entstanden, das unter anderem das Recht auf Beschäftigung sowie auf Zugang zu Gesundheitsleistungen enthält. Weitere Entwicklungen wurden durch die Unabhängige Expertin für die Menschenrechte älterer Personen bereits auf der 7. Sitzung des OEWG in ihrem Bericht vorgestellt, so vor allem eine Zunahme von Schutzgesetzen oder Aktionsplänen in Einzelstaaten, mit dem Ziel, den Schutz älterer Menschen zu stärken. Dabei handelt es sich jedoch wiederum um lokal begrenzte Schutzsysteme. Daher stellte die Unabhängige Expertin in ihrem letzten Bericht gleichzeitig fest, dass noch kein umfassender Schutz gegeben sei, eine Feststellung, die sie auch auf der diesjährigen Sitzung wiederholte. Die Forderung nach eine UN-Konvention bleibt somit auch auf der 8. Sitzung der OEWG unverändert bestehen.

Die 8. Sitzung

Für die vergangene Sitzung wurden „Gewalt, Misshandlung und Vernachlässigung Älterer“ sowie „Altersdiskriminierung und Gleichheit“ als Schwerpunktthemen gesetzt. Zu beiden Themenbereichen stellten Vertreter*innen der beteiligten Staaten sowie von internationalen Organisationen Aspekte ihrer Arbeit vor. Sie stellten dabei die Situation in ihren jeweiligen Regionen in den Vordergrund und brachten für die jeweiligen Problemlagen Verbesserungsvorschläge ein. Die abschließende Zusammenfassung der Beiträge lässt erkennen, dass Gewalt gegen Ältere ein häufig auftretendes Problem ist, sich diese Gewalt jedoch auf verschiedene Art und gegen verschiedene Betroffene richtet. Im Bereich der Diskriminierung wird abschließend festgestellt, dass das Schutzniveau global stark variiert. Das Fehlen von globalen rechtlichen Rahmenbedingungen wird in diesem Zusammenhang teilweise sogar als systematisches Versagen bezeichnet.

Die Lage in Deutschland

In Deutschland wird Alter zwar nicht im Grundgesetz, jedoch in § 1 AGG ausdrücklich als Diskriminierungskategorie genannt. Da dieser jedoch in erster Linie für den Bereich Beschäftigung und bei Ungleichbehandlung durch private Akteure gilt, ist in anderen Fällen, insbesondere bei Ungleichbehandlungen von staatlicher Seite Art. 3 Abs. 1 GG einschlägig. Diese Rechtslage stellte als Beitrag zum Thema „Altersdiskriminierung und Gleichheit“ ein Vertreter des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf der 8. Sitzung vor. Er verwies dabei auf in Deutschland bestehende Schutzlücken und zeigte Bereitschaft zur Verbesserung der Rechtslage. Einen umfassenden globalen Schutz der Rechte älterer Menschen halten die europäischen Vertreter jedoch für nicht erforderlich. Die EU erklärte bereits 2012, dass eine neue Konvention nicht erforderlich sei, punktuelle Nachbesserungen um Schutzlücken zu schließen würden genügen. Auch Deutschland hat sich bis jetzt nicht für eine neue Konvention ausgesprochen.

Der Kampf gegen Diskriminierung Älterer ist von vielfältigen Problemlagen und vielfältigen rechtlichen Rahmenbedingungen geprägt. Die Open-ended Working Group on Ageing leistet dabei mit ihren Vorschlägen einen wertvollen Beitrag zur Verbesserung der Rechtslage. Es ist daher an allen Rechtssetzungsorganen, den Schutz Älterer vor Diskriminierung ständig zu verbessern. Gleichzeitig sollte das Ziel immer die Schaffung von globalen Standards sein, eine Aufgabe, die von regionalen Akteuren alleine nicht gelöst werden kann.

#metoo. Und auch immer noch im Gerichtssaal.
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