Der SPD-Parteivorstand hat sich bei seiner Jahresauftaktklausur am 18.01.2016 unter den Stichworten „Respekt im Alltag verschaffen, Geschlechterbild modernisieren“ für ein Verbot „geschlechterdiskriminierender Werbung“ ausgesprochen, ohne dies jedoch weiter zu konkretisieren. Bereits seit 2014 fordert unter anderem die Organisation „Pinkstinks“ ein solches Verbot. Eine entsprechende Petition wurde in Gang gebracht.
Konkret soll das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) durch einen entsprechenden § 7a ergänzt werden. Eine ähnliche Regelung gibt es beispielsweise bereits in Norwegen. Auch das europäische Parlament hat sich bereits eindeutig gegenüber sexistischer Werbung positioniert. Bisher wird dieses Thema in Deutschland der privatrechtlichen Selbstregulation und den Verbraucher*innen überlassen, während die Gerichte keine Stellung beziehen.
Mit bis zu 10 000 Werbebotschaften werden Menschen in Deutschland täglich konfrontiert. Darunter finden sich Werbeinhalte, die ein geschlechtsbezogenes Über-Unterordnungsverhältnis darstellen, die Menschen aufgrund ihres Geschlechts Eigenschaften, Fähigkeiten und soziale Rollen zuordnen oder Menschen oder einzelne Körperteile zu Objekten sexueller Anziehung degradieren. Sexistische Werbung kann also in unterschiedlichen Formen auftreten. Egal, ob offensichtlich oder unterschwellig, sie spielt eine aktive Rolle dabei, Geschlechtsrollenstereotypen zu konstruieren und zu verfestigen.
Die Rolle des Werberats
Seit den 70ern wacht der deutsche Werberat über solch diskriminierenden und stereotypisierenden Inhalte. Er entscheidet anhand selbst aufgestellter Verhaltensregeln über eingereichte Beschwerden. Er kann Werbung beim betreffenden Unternehmen beanstanden. Ist das Unternehmen uneinsichtig, kann eine öffentliche Rüge erfolgen.
Der Werberat vereinigt Vertreter*innen aus der werbenden Wirtschaft, den Medien und Werbeagenturen – also Personen, die mit Werbung Geld verdienen. Der Männeranteil im Werberat liegt bei zwei Dritteln. Wie unabhängig und mit welcher Expertise kann ein solches Gremiums entscheiden?
Die Motive des Werberats sind nach eigenen Worten: Firmen vor image-schädigenden Fehltritten zu bewahren, Vertrauen zu den Verbraucher*innen und freie Werbemärkte zu gewährleisten. Das erweckt den Eindruck, als ginge es nur um die Gefühle einzelner humorloser Verbraucher*innen, die als Konsument*innen nicht verprellt werden dürfen. Sexismus wird zur Geschmacksfrage.
Der Werberat betrachtet die freiwilligen Verhaltensregeln der Werbewirtschaft als einen Schutz vor unverhältnismäßigen Eingriffen des Staates in den werbenden Wettbewerb (hier).
Aber wie schützenswert ist ein Spruch wie „Sicher nichts für Frauenhände. Außer beim Einpacken ins Geschenkpapier“ (es geht um eine Kamera) gegenüber der tatsächlichen Durchsetzung des Gleichberechtigungsgebots aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz? Solche Aussagen könnten durch ein Gesetz justiziabel gemacht werden.
„Mit so’m Puffauto fahr ich nicht“ – Die Rolle der Gerichte
Am 14.10.2015 entschied das Arbeitsgericht Mönchengladbach über folgenden Fall: Der Kläger war schon seit 20 Jahren bei einem Kaffee vertreibenden Unternehmen angestellt gewesen. Bis auf seinem Dienstauto eines Tages folgendes Bild prangte: Nackte Beine, die in roten Highheels aus einem Berg Kaffeebohnen ragten, dazu die Worte: „Verführerisch lecker“. Für den Kläger hatte sich das Fahrzeug nach seinen Worten in ein „Puffauto“ verwandelt. Er weigerte sich, dessen Botschaft durch Köln zu fahren – und wurde gekündigt.
Das Gericht entschied, die außerordentliche Kündigung sei unverhältnismäßig, die ordentliche dagegen wirksam. Das Gericht umging dabei die Frage, ob es überhaupt vom Direktionsrecht des Unternehmens umfasst war, das Auto mit der konkreten Abbildung als Dienstauto anzuordnen – einer Abbildung, die Menschen durch Einsetzung von Körperteilen ohne Produktbezug als sexuell verfügbare Dekoration darstellte.
#ichkaufdasnicht
Solange der Gesetzgeber sich der Problematik nicht annimmt, liegt es weiterhin in den Händen der Verbraucher*innen, öffentlichkeitswirksam gegen sexistische Werbung vorzugehen. Eine Möglichkeit ist der zornige Kaktus von „Terre des femmes“, der als Preis für die „sexistischste“ Werbung jährlich verliehen wird. Außerdem machen Verbraucher*innen unter dem Hashtag #ichkaufdasnicht ihrem Ärger Luft.
All das half dem Angestellten des Kaffee-Vertreibers vor dem AG Mönchengladbach leider wenig. Aber sollten die Bemühungen um eine gesetzliche Regelung endlich erfolgreich sein, müssen Gerichte in Zukunft wohl anders entscheiden.