Umweltrecht und Menschenrechte im Bergbau

Deutschland ist Exportweltmeister! Wir erfinden Innovatives und exportieren es. Windräder zum Beispiel. – ja, und? – Die schlucken so richtig viel Kupfer, bis zu 30 Tonnen pro Windrad. Das wird im globalen Süden abgebaut. Die ökologischen Bedingungen…. – Ach, daher weht der Wind… – ja, aber nicht nur! Es geht auch um einen anderen Exportschlager: das Vorsorgeprinzip, heute Kernbestandteil des internationalen Umweltrechts. Kurioserweise hat nun in einem konkreten Fall in Peru auch der eine mit dem anderen Exportschlager eine ganze Menge zu tun. Und das kam so:

Der Fall Espinar

In der Mine Tintaya-Antapaccay in Espinar (Peru) wird seit vielen Jahren Kupfer in großen Mengen abgebaut. Beteiligt ist der schweizerische Bergbauriese Glencore, ihm gehört die peruanische Tochterfirma Antapaccay S.A. Kunde ist laut Angaben von Nichtregierungsorganisationen auch der deutsche Kupferhersteller Aurubis. Kupfer braucht man für die Herstellung von Autos. Und von Windrädern. Zum Beispiel. Die kann man exportieren. So wird man Weltmeister.

Die Anwohner_innen der Mine haben weder Autos noch Windräder. Sie beklagen die Verschmutzung von Wasser, Erde und Luft mit Schwermetallen. Auch in Blut und Urin zahlreicher Proband_innen, darunter auch Kinder, hat man sie festgestellt. Sie kritisieren die brutale Repression ihrer Proteste, die Untätigkeit des Staates und die kalte Arroganz, mit der das Unternehmen die Forderungen der Leute ignoriert.

Doch sie verharren nicht in Ohnmacht. Sie sind furchtbar beschäftigt, verhandeln mit dem Unternehmen, machen Druck auf Bürgermeister und Umweltbehörden. Sie laden Wissenschaftlerinnen ein und Journalisten, sie reisen in die Schweiz, um dort mit Politiker_innen über den Fall zu sprechen, sie ziehen vor die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte und vor die UNO in Genf. Und sie gehen vor Gericht.

Kann man klagen?

Auch das ECCHR haben sie um Unterstützung gebeten. Ob man Glencore nicht verklagen könne? Wir haben den Fall geprüft. Eines der größten Hindernisse, wie oft in solchen Fällen, ist die Frage der Kausalität. Es gibt viele Studien, aber keine hat technisch beweisen können, dass die Wasserverschmutzung tatsächlich vom Unternehmen verursacht wurde. Es gebe, so die Behörden, in kupferhaltigem Vulkangestein immer auch natürliche Vorkommen an Schwermetallen. Die Behörden können also nichts unternehmen gegen Glencores Tochterfirma. Sagen sie.

Was ist aber damit, dass hier tagtäglich Menschenrechte verletzt werden? Dass die Leute vergiftetes Wasser trinken, befürchten müssen, dass sie selbst oder ihre Kinder deswegen in zehn Jahren an Krebs erkranken könnten? Ihre Produkte können sie kaum mehr verkaufen, weil die Kunden sie für verseucht halten. Viele sind schon abgewandert, in die Städte, wo sie verarmen, weil es weder Land noch Jobs für sie gibt.

doku_espinarDie peruanische Organisation Instituto de Defensa Legal (IDL) hat eine Klage eingereicht: sie verlangt von den Behörden, dass sie die Gesundheit der Bevölkerung schützen sollen, Gesundheitspläne erstellen, Sofortmaßnahmen ergreifen, die Versorgung mit sauberem Wasser garantieren und das Unternehmen besser kontrollieren. Die Regierung wird sich vielleicht, wie üblich, damit herausreden, sie habe nicht genügend Geld, und gegen das Unternehmen keine Beweise.

Das sollte ihr aber nicht gelingen, denn das Recht spricht gegen sie:

 

Die Beweislast liegt beim Staat

Peru hat den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle (WSK) Rechte ratifiziert und ist daher verpflichtet, die Rechte auf Gesundheit, auf Wasser und auf eine saubere Umwelt als Bestandteil eines angemessenen Lebensstandards durchzusetzen.

Diese „positive“ Pflicht geht über das reine Unterlassen von Rechtsverletzungen (wie Foltern, Inhaftieren, Zensieren) hinaus und kann eine Menge Kosten verursachen, etwa für die Unterhaltung eines effektiven Gesundheitssystems für alle, die spezialisierte Behandlung von Schwermetallbelastungen und die Dekontaminierung von Wasser und Boden einer ganzen Region.

Daher besteht die internationale Rechtspflicht der Staaten nur in dem Maß, in dem sie sich ihre Erfüllung auch leisten können. Damit diese Klausel nicht benutzt wird, um die WSK-Rechte ganz auszuhöhlen, hat das Komitee für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der UNO in seiner General Recommendation No. 3 eines klargestellt: Staaten dürfen nicht untätig bleiben. Sie müssen Minimalstandards garantieren. Und wo das nicht möglich ist, müssen sie beweisen „that every effort has been made to use all resources that are at its disposition in an effort to satisfy, as a matter of priority, those minimum obligations“ (para. 10); sie müssen zeigen, dass sie alle Anstrengungen unternehmen und die Gewährleistung dieser Rechte mit Priorität verfolgen.

Es geht nicht nur ums Geld

Dabei geht es nicht nur um Geld. Es geht auch um internationales Umweltrecht: das Verursacherprinzip etwa ist weithin anerkannt und in der Erklärung von Rio (Prinzip Nr. 16) genauso verankert wie im peruanischen Umweltrecht: Danach hat derjenige, der eine Umweltverschmutzung verursacht hat, auch für die Beseitigung der Schäden einzustehen.

Wenn die peruanische Regierung nun einwendet, sie könne das Unternehmen dazu nicht verpflichten, denn sie könne ihm die Verursachung nicht nachweisen, so ist ihr – wieder mit Umweltrecht – entgegenzusetzen: Sie muss alle Anstrengungen unternehmen, diesen Nachweis zu führen. Wenn das mit den eigenen Mitteln nicht möglich ist, so hat sie auf das internationale umweltrechtliche Prinzip der internationalen Kooperation (Prinzipien 7 und 9 der Erklärung von Rio) zurückzugreifen. Alle Staaten sind verpflichtet, auf wissenschaftlicher und technischer Ebene aktiv zu kooperieren, um so die unterschiedlichen Möglichkeiten verschieden reicher Staaten für das gemeinsame Ziel des weltweiten Umweltschutzes nutzbar zu machen. Und tatsächlich hat die Schweiz – der „Heimatstaat“ von Glencore – schon ein konkretes Angebot an Peru formuliert.

Was sagt die Schweiz dazu?

fluss_kupferUnd das kam so: Das ECCHR hatte im Mai 2015 zusammen mit peruanischen und schweizerischen Organisationen zum selben Thema eine Beschwerde gegen Peru und die Schweiz – also gegen Gast- und Heimatstaat des involvierten Bergbauunternehmens – beim UN Sonderberichterstatter für das Recht auf Wasser eingereicht. Während der Berichterstatter bisher dazu nicht reagiert hat, hat sich aber die Schweizerische Regierung im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage dazu geäußert: sie wäre bereit, so schreibt sie in ihrer offiziellen Antwort, sich an Untersuchungen zur Frage der Kausalität zu beteiligen, wenn die peruanische Regierung einverstanden sei. Nach vorliegenden Informationen hat Peru auf dieses Angebot nicht reagiert. Hätte es aber müssen, gemäß dem Kooperationsprinzip.

Dem Geflecht von Umweltrecht und Menschenrechten kann kein Staat und kein Unternehmen entrinnen

Sollte aber auch nach Kooperation der Schweiz ein wissenschaftlicher Nachweis über die Kausalität noch immer nicht zu erbringen sein, dann greift das Vorsorgeprinzip (Prinzip 15 der Erklärung von Rio): Dieses wurde in den 1980er Jahren in Deutschland erstmals entwickelt und bildet mittlerweile ein wichtiges Leitprinzip im internationalen Umweltrecht und Umweltschutz: Es besagt, dass angesichts einer Gefahr erheblicher oder irreversibler Schäden fehlende wissenschaftliche Gewissheit nicht als Rechtfertigung dafür dienen kann, wirksame Maßnahmen zur Verhinderung von Umweltschäden zu unterlassen, oder anders gesagt: Wenn solche erheblichen Schäden drohen, muss der Staat vorsorglich eingreifen, auch wenn der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung nicht mit letzter Gewissheit nachweisbar ist. Peru hat also keine Wahl, es muss handeln: Es wäre gut beraten, die immensen Kosten, die für die Dekontaminierung und Rehabilitation auf das Land zukommen, dem Verursacher aufzuerlegen. Der notwendige Nachweis der Kausalität könnte eventuell mit der angebotenen internationalen Unterstützung erbracht werden. Und wenn nicht, dann hat Peru dennoch gemäß dem Vorsorgeprinzip eine Handhabe, um – auch gegenüber dem Bergbauunternehmen – effektive Maßnahmen zu ergreifen, um das Risiko einer weiteren Verschmutzung zu stoppen. Es ist sogar dazu verpflichtet: Dies wiederum ergibt sich aus dem internationalen Menschenrechtspakt und der Pflicht der progressiven Umsetzung der wirtschaftlichen sozialen und kulturellen Menschenrechte.

So können sich Grundsätze des internationalen Umweltrechts und der Menschenrechte gegenseitig befruchten und so rechtliche Orientierung geben, wie mit sehr komplexen Problemlagen von Unternehmensverantwortung umzugehen ist. Diese Argumentation wird in Kürze in Form eines Rechtsgutachtens (Amicus Curiae) in den von IDL initiierten Prozess eingeführt werden. Es bleibt abzuwarten, ob sich die peruanischen Richter_innen werden überzeugen lassen.

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BLOGPAUSE BIS 13.10.2016