Die binäre Geschlechterkonzeption im Strafrecht anhand des § 184k StGB

Ein Jahr ist es nun her, seit das Gesetz zum Verbot von Upskirting und Downblousing in Kraft getreten ist und die Handlung als Straftat gilt. Die Einführung des Gesetzes stellte einen bedeutenden Schritt für den Schutz von Betroffenen vor nonverbaler sexualisierter Gewalt dar. Allerdings wird die gewählte Formulierung des Gesetzes gewisse Probleme mit sich bringen. So wird etwa nur eine Bildaufnahme der „weiblichen Brust“ vom Tatbestand erfasst.

Was ist Upskirting und Downblousing?

Bei dem Herstellen oder Übertragen unbefugter Bildaufnahmen, welche die Genitalien, den Gesäß- oder den weiblichen Brustbereich abbilden, handelt es sich um Upskirting und Downblousing. Hierbei wird etwa heimlich unter den Rock („up the skirt“) oder in den Ausschnitt („down the blouse“) einer anderen Person fotografiert.

Aus Petition wurde Gesetz

Ins Rollen gebracht wurde die Diskussion über eine Strafbarkeit von Upskirting durch die Petition der Engländerin Gina Martin im Jahre 2017, die zwei Jahre später erfolgreich mit der Einführung des Straftatbestandes Upskirting in Großbritannien endete. In Deutschland starteten die zwei Petentinnen Hanna Seidel und Ida Marie Sassenberg im Jahre 2019 eine Petition zur Strafbarkeit von Upskirting, die große Aufmerksamkeit auf sich zog und auf welche die Gesetzgebung schließlich reagierte.

Die Einführung des § 184k StGB als Sexualdelikt

Der systematischen Stellung des Tatbestands ging eine kontroverse Diskussion voraus. Kritiker*innen befanden lediglich eine Erweiterung des Rechts am eigenen Bild (§ 201a StGB) für notwendig. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Betroffenen vordergründig durch die Tat gegen ihren Willen sexualisiert werden. Die finale Verortung im Abschnitt der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist daher zu begrüßen, da die Tat erheblich in die intime Sphäre der Persönlichkeit und Rechte der Betroffenen eingreift, als vom Recht am eigenen Bild geschützt und sanktioniert worden wäre. Am 1. Januar 2021 trat der entsprechende Paragraf in Kraft, der Upskirting und Downblousing seither unter Strafe stellt: § 184k StGB. Danach macht sich strafbar, wer „absichtlich oder wissentlich von den Genitalien, dem Gesäß, der weiblichen Brust oder der diese Körperteile bedeckenden Unterwäsche einer anderen Person unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt, soweit diese Bereiche gegen Anblick geschützt sind“.

Upskirting und Downblousing als geschlechtsspezifische Gewalt

Sexualisierte Gewalt ist stets im Rahmen geschlechtsspezifischer Gewalt zu verstehen. Nach dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, der sogenannten Istanbul-Konvention, ist geschlechtsspezifische Gewalt solche, die sie sich gegen eine Frau richtet, weil sie eine Frau ist oder Frauen unverhältnismäßig stark betrifft (Art. 3 lit. d IK). Durch den strukturellen Charakter geschlechtsspezifischer Gewalt sind cis und trans Frauen und Mädchen sowie inter und nichtbinäre Personen besonders gefährdet, Opfer solcher Gewaltakte zu werden. Laut Polizeilicher Kriminalstatistik für das Jahr 2021 wurden für § 184k StGB 524 (86%) weibliche und 85 (14%) männliche von insgesamt 609 Opfern verzeichnet. Demnach sind Frauen unverhältnismäßig stark in den Opferzahlen vertreten. Es handelt sich bei Upskirting und Downblousing um geschlechtsspezifische Gewalt.

Das Adjektiv „weiblich“ soll sich nur auf die Brust der Betroffenen beziehen

Aufgrund der Formulierung stellt sich die Frage, ob das Gesetz nur weibliche Personen als Opfer des Tatbestands anerkennt. Die Gesetzesbegründung erklärt, die männliche Brust sei mangels Eigenschaft als sekundäres Geschlechtsmerkmal im Gegensatz zur weiblichen Brust weniger schützenswert. Sie würde daher nicht vom Tatbestand erfasst. Weiterhin beziehe sich das Adjektiv „weiblich“ lediglich auf die Brust und nicht auf das Geschlecht der Betroffenen. Umfasst seien dementsprechend auch Personen, „die formal dem männlichen Geschlecht zuzuordnen sind, die sich aber erkennbar dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen“.

Ein Festhalten an der „Weiblichkeit“ der Brust hält die binäre Geschlechterkonzeption im Strafrecht aufrecht

Die Opferzahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr 2021 zeigen, dass Upskirting und Downblousing geschlechtsspezifische Gewalt darstellt. Demnach knüpft die Formulierung „weibliche Brust“ an die Tatsache an, dass weibliche Personen unverhältnismäßig oft Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt werden. Sie verleiht dem Opferschutz damit eine geschlechtsspezifische Dimension. Der Gesetzesentwurf macht deutlich, dass das Merkmal der „weiblichen Brust“ nicht nach dem biologischen Geschlecht, sondern nach dem Gender der Betroffenen zu bestimmen ist. Das Strafrecht ist dahingehend nicht streng an den personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag des Opfers gebunden. Somit sollen nicht nur weibliche Personen von der Norm adressiert werden, sondern jegliche sich dem weiblichen Geschlecht selbst zuordnenden und durch Täter*innen zugeordneten Personen. Die Verdeutlichung im Gesetzesentwurf mag hierbei wohlwollend sein. Allerdings handelt es sich dabei nur um eine Auslegungshilfe ohne jegliche Bindungswirkung, die übergangen werden kann. Weiterhin bezieht der Gesetzesentwurf zwar trans Personen in den Kreis der geschützten Opfer ein, inter und nichtbinäre Personen bleiben hingegen unerwähnt. Dem Gesetz wird also eine binäre Geschlechterordnung zugrunde gelegt, die das grundsätzliche Verständnis von Geschlecht im StGB widerspiegelt.

Die Verteidigung der eigenen objektiven Weiblichkeit einer trans, inter oder nichtbinären Person ist nicht zumutbar und greift wiederum tief in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen ein. Entsprechende Beweisanträge wären mit dem Risiko der Diskriminierung und Entwürdigung verbunden, die noch dazu durch ein staatliches Gerichtsverfahren legitimiert würden.
Wenngleich die Formulierung „weibliche Brust“ innerhalb des neuen Tatbestands des § 184k StGB dem Schutz von Betroffenen geschlechtsspezifischer Gewalt dienen soll, stellt sie gleichzeitig eine verpasste Chance dar, der binären Geschlechterkonzeption im Strafrecht durch zeitgemäße Anpassung entgegenzutreten.

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