Folterprävention in Deutschland…?

Waterboarding in Guantánamo, Elektroschocks in Abu-Ghraib und Schläge in Saidnaya – Berichte über Folter erreichen uns aus vielen Orten. Aber Folter in Deutschland? Gibt es das überhaupt noch? Und wenn ja, wie sieht sie aus? Und warum brauchen wir eine Nationale Stelle zur Verhütung von Folter? Über diese Fragen sprach Sofie Halben, Mitarbeiterin der Stelle, im Rahmen der Lehrveranstaltung der Humboldt Law Clinic für Grund- und Menschenrechte am 11.05.2017 in Berlin.

Welche Aufgaben hat die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter?

Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter besteht seit 2009 und ist eine unabhängige Einrichtung mit Sitz in Wiesbaden. Staaten, die (wie Deutschland) das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen der Vereinten Nationen (VN) gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen oder Strafe unterzeichnet haben, sind zur Einrichtung einer solchen unabhängigen Stelle verpflichtet, die regelmäßig Orte besucht, an denen sich Personen im Freiheitsentzug befinden und überprüfen, ob die Menschenwürde der festgehaltenen Personen gewahrt wird. Die Besuche werden im Team von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden der Stelle durchgeführt. In deren Anschluss gibt die nationale Stelle zunächst direkt Feedback an die Leitung der besuchten Einrichtung und erstellt dann schriftliche Berichte. In diesen thematisiert die Nationale Stelle auch Praktiken, die sich in der jeweiligen Einrichtung als sinnvoll und praktikabel erwiesen haben und bei denen es wünschenswert wäre, wenn sie in anderen Anstalten übernommen würden. Die Empfehlungen werden auch an die jeweils zuständigen Aufsichtsbehörden eines Bundeslandes mit der Hoffnung weitergegeben, dass dadurch mehr Aufmerksamkeit entsteht (vgl. Art. 19 b) OPCAT). Tatsächliche Durchsetzungsinstrumente besitzt die Nationale Stelle nicht. Wichtiges Ziel der Stelle ist es daher auch, mit ihren Empfehlungen eine breite Öffentlichkeit zu erreichen.

Wozu braucht Deutschland eine Nationale Stelle zur Verhütung von Folter?

In Deutschland scheint es ungewohnt, den Begriff „Folter“ überhaupt anzuwenden. Die Vertragsparteien der VN-Antifolter-Konvention verpflichten sich jedoch nicht nur zur Unterbindung von Folter, sondern auch von anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe. Die nationale Stelle zur Verhütung von Folter ist deshalb zuständig für für die circa 280 Einrichtungen der Bundespolizei mit Hafträumen sowie für etwa 13.000 Einrichtungen auf Länderebene. Hierzu zählen neben Haftanstalten auch psychiatrische Abteilungen, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie Alten- und Pflegeheime. Zu den Handlungen innerhalb dieser Einrichtungen, die die Nationale Stelle bei ihren Besuchen auf die Vereinbarkeit mit der Menschenwürde überprüft, gehören zum Beispiel die Fixierung oder Durchsuchung einer Person mit Entkleidung, die Videoüberwachung in Hafträumen sowie die Verwendung von Türspionen.

Im aktuellen Jahresbericht von 2016 beschreibt die Nationale Stelle ihre Befunde, wobei sie sich im letzten Jahr schwerpunktmäßig auf die Situation von Frauen im Strafvollzug in Haftanstalten für Frauen konzentriert hat. Dabei ging es vor allem um die Frage, wie geschlechtsspezifische Aspekte der Menschenwürde im Strafvollzug gewährleistet werden können. Da Frauen in Deutschland nur 5,7 Prozent der Inhaftierten ausmachen, gibt es lediglich sieben Anstalten, die ausschließlich für den Frauenvollzug genutzt werden. Der Großteil der inhaftierten Frauen ist in gemischten Strafvollzugsanstalten untergebracht. Da Frauen in diesen Einrichtungen eine Minderheit darstellen, beschreibt der Bericht Nachteile, die ihnen durch die räumliche Trennung von den männlichen Inhaftierten entstehen können. Danach wurde festgestellt, dass zum Beispiel Krankenstationen teilweise nur im Männerbereich vorhanden sind, was dazu führen kann, dass Frauen diese nur zu begrenzten Zeiten nutzen können. Auch die Freizeitangebote und Besuchszeiten inhaftierter Frauen würden häufig eingeschränkt bzw. komplett verwehrt, um die Einhaltung des Gebots der getrennten Unterbringung zu gewährleisten. Denn in gemischten Haftanstalten besteht nach §140 des Strafvollzugsgesetzes ein Trennungsprinzip zwischen Männern und Frauen, das nur wenige Ausnahmen kennt. Obwohl die Nationale Stelle die getrennte Unterbringung von Männern und Frauen in Haftanstalten prinzipiell befürwortet, insbesondere um Frauen vor Gewalt durch Männer zu schützen, fordert sie, dass verbesserte Methoden zur Umsetzung des Trennungsgebotes gefunden werden, die Frauen einen gleichberechtigten Zugang zu Gesundheits- und Freizeitangeboten sowie gleiche Besuchszeiten ermöglichen. Auch mahnt die Stelle an, dass bislang nicht in allen Einrichtungen die Möglichkeit bestehe, von einer weiblichen Gynäkologin untersucht zu werden.

Neben diesen geschlechtsspezifischen Forderungen kritisiert die Stelle auch Missstände, die ebenso für den Männervollzug zutreffen. Darunter fällt zum Beispiel die Praxis, dass sich inhaftierte Personen bei ihrer Ankunft in vielen Strafvollzugsanstalten routinemäßig komplett entkleiden müssen, um durchsucht zu werden. Hier verweist die Stelle unter Bezugnahme auf das Bundesverfassungsgericht darauf, dass durch die Durchsuchungen tief in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person eingegriffen werde und daher in jedem Einzelfall überprüft werden müsse, ob und unter welchen Umständen eine solche Durchsuchung verhältnismäßig ist.

Ein weiterer Kritikpunkt, den der Bericht aufführt, ist die Doppelbelegung von Einzelhafträumen. Bemängelt werden insbesondere eine zu geringe Quadratmeterzahl mancher Hafträume sowie ein nicht räumlich abgetrennter oder separat entlüfteter Sanitärbereich. Vielerorts entsprächen die Gegebenheiten nicht den durch das Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung.

Für 2017 hat sich die Nationale Stelle das Thema Polizei als Schwerpunkt gesetzt, um weiterhin dazu beizutragen, dass auch in diesem Bereich die Unterbringung und Behandlung von Menschen im Freiheitsentzug human gestaltet werden.

Wie kann die Nationale Stelle effektiv Folterprävention erreichen?

Da die Stelle für sämtliche Einrichtungen in Deutschland zuständig ist, in denen Personen aufgrund staatlicher Anordnung untergebracht werden können, und diese regelmäßig besucht werden sollen, ist fraglich, wie es der Stelle gelingen kann, einen effektiven Präventionsmechanismus zu etablieren. Ziel sei es daher, so Halben, die generelle Einhaltung ihrer Empfehlungen in allen Einrichtungen deutschlandweit zu fördern. Die Resonanz auf die Besuche der Einrichtungen sei hingegen äußerst unterschiedlich. In manchen Fällen werde abweisend reagiert, in anderen hätten die Mitarbeitenden selbst Missstände ihrer Einrichtung erkannt und wollten diese dringend ändern. Im Fall der oben beschriebenen routinemäßigen Durchsuchungen mit Entkleidung bei der Ankunft in einer Haftanstalt, beispielsweise, gab eine betreffende Einrichtung kurze Zeit nach dem Besuch durch die Stelle in einer Stellungnahme an, dass das verantwortliche Personal für eine solche Einzelfallprüfung sensibilisiert worden sei. „Durch unsere Besuche bewegen wir tatsächlich viel“, ist Sofie Halben überzeugt.

Bei der Arbeit der Stelle in Deutschland geht es also weniger darum Fälle gezielter Anwendung von Foltermethoden, wie diese in Guantánamo, aufzudecken, sondern vielmehr darum die menschenwürdige Behandlung festgehaltener Personen zu gewährleisten. Diese dient auch Resozialisierungszwecken, denn, so Halben, „wenn man human behandelt wird, neigt man auch eher dazu andere human zu behandeln“. Der aktuelle Jahresbericht der nationalen Stelle zur Verhütung von Folter zeigt, dass hier auch in Deutschland noch deutlicher Handlungsbedarf besteht.

 

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