Hoffnung und Bedenken – NGOs positionieren sich zu neuer Resolution zu sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität des UN-Menschenrechtsrats

Am 9. Juni lud die Hirschfeld-Eddy-Stiftung zu einem Vernetzungstreffen mit der Aktivistin Liz Frank vom Women’s Leadership Center (WLC) ein. Thematisiert wurden nicht nicht nur ihre aktivistische Arbeit in Namibia und Sub-Sahara. Das Treffen bot euch einen Anlass, darüber zu sprechen, was sich NGOs von der 32. Tagung des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (UN-HRC) in Genf erhoffen.

„Being ourselves! Being resilient!“

Im Jahr 2004 gründeten Elizabeth Kahaxas und ihre Partnerin Liz Frank das Women’s Leadership Center (WLC) in Namibia. Die Arbeit des WLC hat die Etablierung einer inklusiven feministischen Bewegung in Namibia zum Ziel. Hervorzuheben sind Kampagnen auf der Grassroots-Ebene mit Frauen* aus marginalisierten Bevölkerungsgruppen in Namibia, deren Diskriminierung nicht zuletzt durch das post-koloniale und post-Apartheids-Erbe bedingt ist. Die übergeordnete Agenda fasste Liz Frank so zusammen: „Die Frau* muss in die Geschichte eintreten!“

Das WLC ist zudem Teil der Coalition of African Lesbians (CAL), einem regionalen Netzwerk aus Organisationen im sub-saharischen Afrika. CAL’s Fokus liegt darauf, als Teil der LGBTI*-Bewegung den Aktivismus lesbischer, bisexueller und trans* Frauen zu stärken.

Liz Frank sprach auch über den langen Weg, bis CAL 2005 endlich der Beobachterstatus bei der African Commission for Human and People’s Rights anerkannt wurde. Darüber hinaus erhebt CAL auch auf der Ebene der Vereinten Nationen die Stimme: So nahm sie Stellung zu der vom 13. Juni bis 1. Juli 2016 stattfindenden 32. Tagung des UN-Menschenrechtsrats (UN-HRC) in Genf.

Erwartungen an die 32. Tagung des UN-HRC in Genf

Genauer geht es in CALs Stellungnahme um die 3. Resolution zu sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität, wie Liz Frank erläuterte. Deren Verabschiedung wird von der 32. UN-HRC-Tagung erwartet. Diese dritte Resolution ist Teil eines wichtigen Prozesses. Er begann 2011 mit der ersten Resolution dieser Art in der Geschichte der UN. 2014 folgte eine Follow-Up-Resolution. Dennoch: Trotz dieser bisherigen Fortschritte benötigt es dringend adäquater Mechanismen zur Durchsetzung von LGBTI* Rechten, wie der UN-Hochkommissar für Menschenrechte 2015 in einem Report feststellte: „Current arrangements to protect the human rights of LGBTI people […] are inadequate.“(A/HRC/29/23, Nr. 76)

Bei der Ausgestaltung der Resolution spielen Vorschläge verschiedener NGOs eine große Rolle. Einige NGOs wie ILGA und Arc International fordern beispielsweise, in der Resolution die Etablierung eine*r eigenen Sonderberichterstatter*in für Sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität (SOGI) zu verankern.

Die Vorlage eines entsprechenden Entwurfs wird auf der Tagung von Brasilien, Chile, Kolumbien und Uruguay erwartet. Laut Outright International besteht eine durchaus realistische Möglichkeit, dass die Staaten der Errichtung zustimmen könnten. Die Sonderberichterstatter*innen nehmen eine zentrale Rolle in der Arbeit des UN-HRC ein. In der Vergangenheit adressierten einige der 41 existierenden Berichterstatter*innen bereits Diskriminierung aufgrund von SOGI, so u.a. der Sonderberichterstatter über Folter. Ein Sondermandat eigens für SOGI wäre jedoch ein Novum, an das viele NGOs Hoffnungen knüpfen.

Laut der Stellungnahme von ILGA könnte die/der Sonderberichterstatter*in Schutzlücken im UN-System schließen: Systematische Menschenrechtsverletzungen von LGBTI* würden dann nicht mehr nur als Nebenthemen anderer Berichterstatter*innen adressiert. Ihnen würde die gezielte Aufmerksamkeit gegeben werden, die sie verdienen.

CAL hingegen vertritt eine andere Position. Liz Frank erklärte bei dem Vernetzungstreffen, warum sie Nein zur Einrichtung einer*s solchen Sonderberichterstatter*in sagt.

Ein Sondermandat für SOGI greift ihrer Meinung nach zu kurz: Es missachtet, dass SOGI mit einer großen Bandbreite von Themen und intersektionellen Unterdrückungsmechanismen verknüpft ist: Gender equality, Alter, Armut, körperliche Autonomie, sexuelle Gesundheit, Sexarbeit, Reproduktionsrechte und Diskriminierungen aufgrund körperlicher Merkmale, wie es bei Inter*-Personen der Fall ist. Zudem würde das Mandat noch nicht die globalen Faktoren berücksichtigen, die die Diskriminierung von LGBTI* bestimmt. Dazu gehören Klasse, Militarismus, Heteronormativität, Patriarchat, die Wirtschaftskrise, Rassismus und geographische Standorte. Zusammengefasst wünscht sich CAL also einen intersektionaleren Ansatz, der die globalen Wurzeln von Diskriminierung ins Auge fasst.

ILGA erkennt diese Bedenken an, bleibt aber bei der Forderung mit der Hoffnung, dass das Mandat als Teil eines fortlaufenden Diskurses dazu beitragen wird, zukünftig auch die von CAL aufgezählten Gesichtspunkte so einbeziehen zu können. Letztendlich bleibt die Einrichtung einer*s eigenen Sonderberichtserstatters*in ein ambitioniertes Projekt für die neue Resolution des UN-HRC. Aber trotz des Zeitdrucks, effektivere Schutzmechanismen zu entwickeln, müssen Stimmen von NGOs aus dem globalen Süden gewürdigt und die tatsächliche Lebensrealität diskriminierter Menschen nicht aus den Augen verloren werden.

Die Entscheidung in Genf wird Ende Juni erwartet.

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