Menschenrechte vor Profit: Unternehmensverantwortung gesetzlich verankern

Seit November 2014 entwickelt die Bundesregierung einen Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte. Ziel ist die Umsetzung der Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte, die menschenrechtliche Pflichten von Staaten und Verantwortung von Unternehmen in globalen Wertschöpfungs- und Lieferketten aufzeigen. Der Aktionsplan soll noch diesen Sommer verabschiedet werden. Mutmaßlich wird sich die Bundesregierung jedoch auf unverbindliche Empfehlungen und Beratungsangebote beschränken, statt gesetzliche Sorgfaltspflichten einzuführen.

Textilfabriken stürzen ein, weil Arbeitsrechte und Sicherheitsstandards nicht gewahrt werden. Indigene Völker werden entschädigungslos von ihrem Land vertrieben, damit ausländische Investor*innen Profit schlagen können. Und Minenarbeiter*innen werden erschossen, weil sie für einen Lohn oberhalb der Armutsgrenze kämpfen. Obwohl diese Katastrophen meist weit entfernt stattfinden, sind deutsche Unternehmen häufig direkt oder indirekt daran beteiligt. In der Öffentlichkeit bekennen diese sich zwar oft zur Nachhaltigkeit – hinter den Kulissen nehmen viele aber Menschenrechtsverletzungen in Kauf. Die Opfer dieser Geschäftspraktiken haben bisher kaum Möglichkeiten, deutsche Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen. Die Achtung von Menschenrechten im Ausland gilt als freiwillige Angelegenheit und ist nicht im Rechtssystem verankert.

Menschenrechtliche Sorgfalt als neue Form der Unternehmensverantwortung

Bislang gibt es noch keine guten Lösungsansätze gegen diese negativen Auswirkungen unserer globalisierten Wirtschaft. Eine Kernfrage bleibt, welche Pflichten sich aus den bestehenden Menschenrechtsverträgen für Unternehmen ableiten lassen und wie weit sich die Unternehmensverantwortung auch auf die Geschäftsbeziehungen und Lieferketten erstreckt. Auf verbindliche internationale Regeln für den globalen Geschäftsverkehr konnten sich die Regierungen trotz einiger Anläufe bislang nicht einigen. Ein Kompromiss wurde 2011 im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen mit den freiwilligen Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte erzielt. Herzstück der Leitprinzipien ist das Konzept der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten. Angelehnt an die bereits bestehenden Konzepte der Risikominimierung im Unternehmensmanagement sollen Unternehmen die menschenrechtlichen Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit identifizieren, negativen Auswirkungen vorbeugen sowie Schäden beheben und wiedergutmachen.

Regulative Ansätze

Doch diese freiwilligen Leitprinzipien der Vereinten Nationen sind nur wirksam, wenn sie von den nationalen Regierungen umgesetzt wurden. Die UN-Arbeitsgruppe Wirtschaft und Menschenrechte sowie die EU-Kommission haben die Regierungen daher aufgefordert, Aktionspläne zu entwickeln. Obwohl die Leitprinzipien dabei einen intelligenten Mix aus verbindlichen und freiwilligen Maßnahmen empfehlen, beschränken sich die bisherigen Aktionspläne europäischer Regierungen weitestgehend auf freiwillige Empfehlungen. In einigen Ländern gibt es parallel hierzu jedoch erste Ansätze einer weitergehenden Regulierung der Auslandsgeschäfte. So wurde in Großbritannien kürzlich der Modern Slavery Act beschlossen. Das Gesetz richtet sich gegen moderne Formen der Sklaverei. Es verpflichtet große Unternehmen, über Sklaverei begünstigende Risiken in ihrem Unternehmen sowie in der Lieferkette zu berichten. Zudem müssen sie darlegen, welche Schritte sie ergriffen haben, um diese Risiken zu bewerten und zu handhaben. Ein ähnliches Gesetz gibt es in Kalifornien bereits seit einigen Jahren. Aus den Vereinigten Staaten kommt auch der Dodd Frank Act, der Unternehmen dazu verpflichtet, die Herkunft bestimmter Rohstoffe offenzulegen. Dadurch soll verhindert werden, dass der Handel mit sogenannten Konfliktrohstoffen, wie beispielsweise Gold, Wolfram, Zinn und Tantal, den Bürgerkrieg in der Demokratischen Republik Kongo finanziert. In Frankreich geht die Debatte über reine Berichtspflichten hinaus. Das französische Parlament hat im März 2016 in zweiter Lesung ein Gesetz angenommen, wonach große französische Unternehmen verpflichtet werden, menschenrechtliche Risiken zu identifizieren und zu verhindern, dass sich diese Risiken realisieren. Dabei sind auch Risiken bei Subunternehmen und Zulieferbetrieben einzubeziehen. Mit einem Volksentscheid plant eine große Koalition aus Gewerkschaften und NGO´s in der Schweiz derzeit menschenrechtliche Sorgfaltspflichten für Schweizer Unternehmen gesetzlich zu verankern.

Deutschland hinkt diesen Entwicklungen hinterher. Seit November 2014 entwickelt die Bundesregierung einen Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien. Der Aktionsplan soll noch diesen Sommer verabschiedet werden, zurzeit deutet leider vieles daraufhin, dass dieser nur freiwillige Empfehlungen und vage Prüfaufträge enthalten wird.

Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen protestieren

Schon der erste Entwurf der zuständigen Ressorts unter Federführung des Auswärtigen Amts hatte zum Unmut der NRO und Gewerkschaften auf eine gesetzliche Regelung zu menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten für Auslandsgeschäfte deutscher Unternehmen verzichtet. Nach einer weiteren Überarbeitung durch das inhaltlich nicht zuständige und bislang unbeteiligte Finanzministerium ist vom Aktionsplan jedoch kaum etwas übrig geblieben. Bleibt es dabei, können deutsche Unternehmen weiter wirtschaften wie bisher und die menschenrechtlichen Probleme in ihren Lieferketten und Tochterunternehmen ignorieren.

Um dies zu verhindern und die Bundesregierung unter Druck zu setzen, einen fortschrittlichen Aktionsplan zu beschließen, hat ein Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen und Verbände eine Petition ins Leben gerufen. Diese fordert die Bundesregierung dazu auf, Unternehmen gesetzlich zur Achtung der Menschenrechte im Ausland zu verpflichten und Opfern die Möglichkeit zu geben, hierzulande eine Entschädigung einzuklagen, wenn deutsche Unternehmen ihre Menschenrechte im Ausland missachten. Die Organisationen Amnesty, Brot für die Welt, Germanwatch und Oxfam haben zusätzlich ein Gutachten erstellt. In diesem wird anhand eines Gesetzgebungsvorschlages gezeigt, wie die unternehmerische Sorgfaltspflicht zum Schutz der Menschenrechte im deutschen Recht verankert werden kann.

Hier kannst Du die Petition unterstützen: https://www.openpetition.de/petition/online/menschenrechte-vor-profit

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