Die Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus ist für viele Menschen, sowohl in der Politik als auch in der Zivilgesellschaft eine unbequeme Angelegenheit. Nach wie vor wird oft eine Verbindung zum Nationalsozialismus hergestellt. Dies führt zu strikten Abwehrreaktionen. Zudem sind Strukturen, die mit rassistischer Stigmatisierung und Ressentiments einhergehen teilweise schon so tief verankert, dass sie uns gar nicht mehr auffallen. Deshalb erscheint es schwierig, dies kritisch zu reflektieren. Auch das Berliner Parlament tut sich schwer damit, eine Diskussion über rassistische Vorurteile zuzulassen.
Zugang für Geflüchtete zu pädagogischen Tätigkeiten
Der Ausschuss für Arbeit, Integration, berufliche Bildung und Frauen diskutierte am 25. Februar 2016 über einen Antrag der Linksfraktion. Damit sollte der Senat aufgefordert werden zu überprüfen, inwieweit geflüchteten Menschen mit pädagogischen Qualifikationen, Tätigkeiten an Kitas und Schulen in Berlin eröffnet werden könnten. Das Hauptaugenmerk des Antrages lag darauf, eventuelle Hürden abzubauen. In der Debatte äußerte vor allem die Koalition aus SPD-Fraktion und CDU-Fraktion starke Bedenken bezüglich der angeblich unzureichenden Deutschkenntnisse der Geflüchteten. So sollten mindestens ein halbes Jahr Sprachkenntnisse Voraussetzung dafür sein, überhaupt in den pädagogischen Berufszweig einsteigen zu können. Außerdem habe der Senat bislang keinerlei Erfahrung mit Abschlüssen aus arabischsprachigen Ländern und der damit zusammenhängenden Anerkennung.
Die größte bürokratische Hürde stellt aber scheinbar das nicht vorhandene Führungszeugnis dar. Dieses ist für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in Deutschland Voraussetzung. Ein Nachweis in dieser Form ist aber eine deutsche Besonderheit, die in anderen Ländern teilweise nicht existiert. Davon abgesehen, ist es in manchen Ländern sehr schwierig bis unmöglich, die für ein Führungszeugnis erforderlichen behördlichen Auskünfte zu bekommen, vor allem in Kriegsgebieten und vor allem für von dort geflüchtete Menschen.
Diese offensichtlichen Schwierigkeiten für geflüchtete Menschen mit pädagogischen Vorkenntnissen auf dem deutschen Arbeitsmarkt werfen die Frage auf, warum nicht schon längst entsprechende Maßnahmen getroffen wurden, wie zum Beispiel ein Äquivalent zum Führungszeugnis zu entwickeln oder eine schnellere Anerkennung ausländischer Abschlüsse zu schaffen. Die Antwort des Senats: „Wir prüfen das“ ist in diesem Zusammenhang äußerst unbefriedigend, denn mit diesen oben dargestellten Problemen sehen sich Migrant*innen nicht erst seit kurzem konfrontiert.
Bürokratische Hürden oder rassistische Ressentiments?
In der Diskussion im Ausschuss stellte sich heraus, dass der Grund für das Ausbleiben von Lösungen nicht zuletzt an den Ressentiments einiger Abgeordneten liegt. Sie stellten den Abbau von Hürden mit einer Absenkung des Qualifikationsniveaus gleich; es sei ein „möglichst lapidares Hinweggehen über formale Qualifikationsanforderungen.“ Eine solche Schlussfolgerung setzt allerdings die Annahme voraus, dass Deutsche generell besser ausgebildet seien und Migrant*innen mit einem ausländischen Bildungshintergrund diese Standards senken würden.
Dies wiederum ist eine rassistische Vorannahme. Als eine Abgeordnete im Ausschuss darauf hinwies und die Äußerungen als Ausdruck einer „rassistische Grundhaltung“ bezeichnete, löste sie damit heftige Reaktionen aus. Eine Begründung ihrerseits wurde nicht zugelassen. Die Regierungskoaliton wies empört jeglichen Vorwurf zurück und betonte, es gäbe keinen Rassismus in ihren Reihen. Auch die Vorsitzende machte deutlich, dass der Gebrauch der Worte Rassismus/rassistisch völlig fehl am Platz sei. Diese Worte seien unparlamentarisch und müssten umschrieben werden. Denn sie seien nicht sachlich genug.
Sicherlich ist ein respektvoller Umgangston in Diskussionen unerlässlich, um die Funktionsfähigkeit des Parlaments aufrecht zu erhalten. So ist es zum Beispiel verboten, eine andere Abgeordnete persönlich zu beleidigen. Dass aber Aussagen mit rassistischen Implikationen in einem Forum wie dem Parlament nicht als solche benannt werden dürfen, ist äußerst fragwürdig. Das Parlament als Vertretung der Bevölkerung und wichtigster Akteur in der Gesetzgebung hat die Macht, gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen. Daher ist es unerlässlich, dass kontrovers über jegliche Missstände diskutiert wird. Dazu zählt auch institutioneller Rassismus. Indem dieser Thematik die Sachlichkeit abgesprochen wird, verliert sie an Relevanz. Ein real existierendes Problem wird verleugnet. Dies befördert die gesellschaftliche und politische Tabuisierung.
Wenn Rassismus auftritt, sollte er als solcher benannt werden dürfen. Denn nur mit der Benennung und Anerkennung kann eine kritische Auseinandersetzung beginnen und können verankerte Strukturen aufgebrochen werden. Insbesondere mit Blick auf die nächste Legislatur, in der die AfD voraussichtlich auch im Berliner Parlament vertreten sein wird, gewinnt die Problematisierung an Bedeutung.
Aufgrund seiner überragenden Rolle, steht das Parlament in der Verantwortung rassistischen Ressentiments entgegenzuwirken. Wenn nicht hier, wo dann?