In Bremen und Niedersachsen wurden im Dezember 2015 Erweiterungen der Landesgaststättengesetze beschlossen, die in Zukunft ein verstärktes Vorgehen gegen rassistische Diskriminierung an der Diskothekentür ermöglichen. Diskriminierende Einlasskontrollen stellen in beiden Bundesländern ab sofort eine Ordnungswidrigkeit dar, die von den zuständigen Behörden mit Bußgeldern bis zu 10.000 Euro sanktioniert werden können. Durch diesen gesetzlichen Vorstoß wird es – zumindest in zwei deutschen Bundesländern – endlich zur erklärten Sache der Kommunen, auf Fälle von rassistischer Diskriminierung im Gastgewerbe zu reagieren. Erstmalig ist behördliches Handeln vorgesehen, um diese Form von Alltagsrassismus zu unterbinden. Bisher wurde diese Verantwortung an die Betroffenen delegiert, die seit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) diskriminierende Diskothekenbetreibende wegen Verstoß gegen das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot aus §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 8, 19 Abs. 2 AGG verklagen können.
Rassistische Einlasskontrollen sind ein alltägliches Problem
Rassistisch motivierte Einlassverweigerungen durch Diskotheken stellen eine spezifische Form von Alltagsdiskriminierung dar. Betroffen sind in Deutschland insbesondere junge Männer, die nicht der weißen Mehrheitsgesellschaft zugeordnet werden. Nach einhelliger Einschätzung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) sowie deutschen Antidiskiminierungsverbänden und NGOs, handelt es sich bei den Abweisungen um eine alltägliche Erfahrung einer bestimmten Gruppe junger Menschen. Zuletzt erklärte Christine Lüders, Leiterin der ADS, dass junge Menschen „noch immer Tag für Tag Ausgrenzungserfahrungen an Diskotüren oder im Fitnessstudio erleben“.
Diese Ausgrenzungspraktiken haben in Deutschland eine lange Geschichte und lassen sich bis in 1970er Jahre zurückverfolgen. Damals wurde das Thema erstmalig zum Politikum, weil Schwarze Soldaten der US-amerikanischen Streitkräfte regelmäßig keinen Zutritt zu Diskotheken erhielten. Etwas später, in den frühen 80er Jahren, begannen Debatten darüber, ob eine Ergänzung des Gaststättengesetz den Behörden die Beseitigung der Diskriminierungspraxis erleichtern könnte. Bis dieser Vorschlag schließlich von den rot-grünen Landesregierungen in Bremen und Niedersachsen umgesetzt wurde, sollten 33 Jahre vergehen…
Die erfolgreiche Umsetzung des AGG bedarf einer Ausgestaltung der Landesgesetze
Das Hauptargument der Gegnerschaft einer solchen Gesetzesänderung war damals wie heute der Verweis darauf, dass die aktuelle Gesetzeslage ausreichend sei. Das dies eben nicht der Fall ist, zeigt ein einfacher Blick in die praktische Rechtsumsetzung.
Einerseits wird argumentiert, dass Betroffenen mit dem zivilrechtlichen Benachteiligungsverbot aus § 19 AGG ein ausreichend wirksames Mittel zur Verfügung stehe, gegen die diskriminierenden Einlasskontrollen vorzugehen. So begründete z.B. die CDU-Fraktion im niedersächsischen Landtag einen Antrag, mit dem die Änderung des Gaststättengesetzes noch in letzter Sekunde verhindert werden sollte.
Allerdings hat sich die zivilrechtliche Individualklage in den vergangenen Jahren als wenig geeignetes Mittel herausgestellt, um Alltagsrassismus an der Diskothekentür zu durchbrechen. Seit Inkrafttreten des AGG im Jahre 2006 führten deutschlandweit von ca. 20 bekannt gewordenen Klagen nur etwa die Hälfte zu einer Verurteilung von Diskothekenbetreibenden. Die Gerichte zeigten sich durchwegs zögerlich, abschreckende Schadensersatzsummen festzulegen und diese zum Beispiel am Jahresumsatz der Diskotheken zu bemessen. Ein solches Vorgehen, u.a. vorgeschlagen von Danker/Kinsky im Working Paper Nr. 3 der HLCMR würde anerkennen, dass rassistische Einlasskontrollen zur Tagesordnung der Clubs gehören. Stattdessen wird die Diskriminierungsform vor Gericht als unglücklicher Einzelfall behandelt und im Schnitt mit 500 Euro geahndet. Zu den zwei höchsten Verurteilungen von jeweils 1000 Euro Schadensersatz, allerdings auch zur geringsten Entschädigungssumme von 150 Euro, kam es vorm Amtsgericht Hannover. Gründe den Schadensersatz nicht höher anzusetzen fanden die Gerichte viele – insbesondere soll die Diskriminierung für den Betroffenen nicht zu einem „Geschäft“ werden. Diese prominente und viel zitierte Ansicht des OLG Stuttgarts zielt an der Wirklichkeit vorbei. Tatsächlich folgte der Großteil dieser Klagen keinem individuellem Entschädigungsinteresse. Sie stellten den Versuch verschiedener zivilgesellschaftlicher Initiativen wie dem Büro für Umsetzung von Gleichbehandlung (BUG), dem AStA Hannover, dem Antidiskriminierungsbüro (ADB) Sachsen oder dem Ausländerbeirat München dar, Alltagsrassismus mittels strategischer Prozessführung zu bekämpfen.
Als zweiter gängiger Einwand gegen eine Erweiterung der Gaststättengesetze wird der § 35 der bundesweit geltenden Gewerbeordnung (GewO) angeführt, der die Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit regelt. Tatsächlich haben die Gewerbeämter über den unbestimmten Rechtsbegriff der Unzuverlässigkeit, die theoretische Möglichkeit, rassistische Einlasskontrollen als Zeichen der Unzuverlässigkeit von Gewerbetreibenden zu werten. In weiterer Konsequenz und nach mehrmaliger Abmahnung könnte deshalb die Gewerbeerlaubnis entzogen werden. Diese Einschätzung wurde bereits 1982 von der damaligen Bundesregierung vertreten und entspricht im heutigen Kontext nach Inkrafttreten des AGG, auch anderen Expert*innenmeinungen.
Der Blick in die Praxis verrät allerdings, dass es bisher zu keiner solchen Gewerbeuntersagung gekommen ist. Im Jahr 1991 gab es in Berlin unter der Regie der damals sehr aktiv gegen rassistische Einlasskontrollen vorgehenden Ausländerbeauftragten Barbara John den Versuch, einen Club im Bezirk Tempelhof schließen zu lassen. Die Betreiberfirma der Diskothek weigerte sich standhaft von einer „Quotenregelung für Ausländer“ abzusehen. Der Versuch scheiterte allerdings am Rechtsamt des Bezirks Tempelhof, das entschied, dass „die Begrenzung des Ausländeranteils unter den Gästen in der Eigenart des Gewerbebetriebes“ begründet sei und „keine sachfremde Benachteiligung individualisierter Personengruppen“ darstelle. Die Reaktionen auf diesen Fall waren Proteste und die Forderung nach einem Antidiskriminierungsgesetz.
Heute, in Zeiten des AGG, würde es zwar kaum mehr zu einer solchen Einschätzung kommen, stattdessen hapert es aber regelmäßig an der Bereitschaft der Behörden, Schritte gegen diskriminierende Diskotheken einzuleiten. Dies zeigt z.B. die Erfahrung des ADB Sachsen. Nachdem die Organisation durch ein Testing-Verfahren in Leipzig die Brisanz der Problematik für die Stadt aufgedeckt hatte, wurde versucht, in Kooperation mit dem Ordnungsamt regulierend auf Diskothekenbetreibende einzuwirken. Die Zusammenarbeit scheiterte. Das Amt fühlte sich zwar zuständig und leitete ein Verwaltungsverfahren ein, verhielt sich im weiteren Verlauf aber kontraproduktiv. Daniel Bartel vom ADB Sachsen resümierte die Einstellung des Ordnungsamts folgendermaßen: „Alltagsrassistische Positionen werden teilweise geteilt, das Problem wird bagatellisiert und eine Notwendigkeit zum Handeln bezweifelt, die eigenen Handlungsmöglichkeiten sind unbekannt und eine eigene Verantwortung wird abgelehnt.“ Das BUG, das als rechtlicher Beistand mehrere Fälle rassistischer Einlassverweigerungen u.a. im Großraum Hannover begleitete, machte die Erfahrung, dass sich die niedersächsischen Behörden – unter Verweis auf eine mangelnde Konkretisierung im Gaststättengesetz – gar nicht zuständig fühlten. Aufgrund dieser Erfahrung legte der Verein den Fokus seiner politischen Lobbyarbeit auf eine Änderung des Gaststättengesetzes. Die Gesetzesänderungen in Niedersachsen und Bremen können somit auch als Ergebnis der langjährigen Thematisierung von rassistischen Einlasskontrollen im Rahmen der strategischen Prozessführung gewertet werden.
Wie sich die Umsetzung der neuen Regelungen gestalten wird, ob sie aktiv zur Anwendung kommt und die rassistische Türpolitik auch tatsächlich eindämmen kann, wird sich zeigen. Vera Egenberger, die Geschäftsführerin des BUG, gibt sich in einer Presseerklärung zur Erweiterung des niedersächsischen Gaststättengesetz optimistisch: „Die Ergänzung des Gaststättengesetzes ist ein großer Schritt nach vorn gegen rassistische Diskriminierung. Betreiber müssen wissen, dass ein diskriminierendes Verhalten Konsequenzen nach sich zieht.“ Es bleibt zu hoffen, dass auch weitere Bundesländer dem Modell folgen.