„Will ein Israeli mit einer kuwaitischen Airline nach Thailand fliegen…“

So könnte ein schlechter Scherz beginnen, der seine makabre Pointe darin findet, dass das Landgericht Frankfurt am Main den Boykott von vertraglichen Bindungen gegenüber Israelis erstmals wieder für „rechtens“ erklärt. Das Landgericht setzt sich hiermit von einer Reihe ähnlicher Fälle im internationalen Raum ab, in denen eine Diskriminierung angenommen wurde.

Zum Urteil

Das Landgericht Frankfurt am Main entschied am 16.11.2017, dass die Fluglinie Kuwait Airways einen in Berlin wohnhaften, israelischen Staatsbürger nicht befördern muss und dessen verbindlich gebuchten Flug Frankfurt-Bangkok mit Zwischenstopp in Kuwait-Stadt stornieren durfte. Kuwait Airways ist eine staatliche Fluggesellschaft, die einem Beförderungsverbot israelischer Staatsbürger unterliegt. Die Fluggesellschaft bot dem Kläger alternativ auf ihre Kosten einen Flug mit einer anderen Gesellschaft und ohne Zwischenstopp in Kuwait an. Dies lehnte der Kläger ab und klagte auf Erfüllung des ursprünglichen Vertrages.

Das Landgericht nimmt eine rechtliche Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB an und geht vor allem auf die kuwaitischen Gesetze Nr. 21 und Nr. 24 ein. Kern der Gesetze ist das Verbot, Verträge mit Personen zu schließen, die die israelische Staatsangehörigkeit besitzen. Wer dagegen verstößt, muss mit einer Gefängnisstrafe, harter Gefängnisarbeit oder mit einer Geldstrafe rechnen. Im Ergebnis geht das Gericht bei der Prüfung der kuwaitischen Gesetze davon aus, dass ein Boykott der deutschen Rechtsordnung nicht fremd ist und es sich um eine staatliche Maßnahme eines souveränen Staates gegen einen anderen handelt, fernab religiöser Einflussnahme.

Hintergrund der Gesetze Nr. 21 und Nr. 24 und der Grundsatz des ordre public

Zwar sind Boykott-Regelungen dem deutschen Recht durchaus nicht fremd. Sie betreffen jedoch vor allem Rüstungsexporte in Konfliktregionen und internationale Beziehungen zu Regimen mit autoritärer und/oder menschenrechtsangreifender Tendenz. Dies ist nicht vergleichbar mit dem demokratischen Staat Israel.

Die kuwaitischen Gesetze Nr. 21 und Nr. 24 sind das Ergebnis eines Beschlusses der Arabischen Liga von 1945, dem sich 19 der 21 Staaten anschlossen mit dem Ziel die jüdische Wirtschaft zu schwächen und jüdische Immigration in die Region zu verhindern. Sie dienen vor allem einer Positionierung innerhalb der Streitigkeiten im Rahmen des Nahostkonflikts, die das Existenzrecht des sich als jüdisch bezeichnenden Staates Israels abstreiten. Die Abneigung gegenüber Jüdinnen und Juden im Rahmen eines antisemitischen und verschwörerischen Narratives, nachdem sich Jüdinnen und Juden in die Region unerwünscht einnisten und in verdrängender Konkurrenz zu den umliegenden arabischen Staaten stünden, ist Kernelement der Entstehung dieser Gesetze.

Das Landgericht zog sich auf den Standpunkt zurück, es könne nicht darum gehen, zu beurteilen, ob die kuwaitischen Gesetze sinnvoll wären oder nach der deutschen und europäischen Rechtsordnung Bestand hätten. Stattdessen hätte es den Hintergrund des Gesetzes berücksichtigen und in Verbindung mit dem Vorbehalt des ordre public im Sinne von Art. 6 EGBGB bereits an dieser Stelle dem Kläger seinen Anspruch zusprechen müssen.

Deutsches Antidiskriminierungsrecht tatsächlich anwenden

Das Landgericht erklärt deutsches Recht zwar für anwendbar, verneint jedoch
eine Diskriminierung, weil das kuwaitische Gesetz Nr. 21, vertragliche Beziehungen zu Personen allein wegen ihrer Staatsangehörigkeit unterbinde und Religion oder ethnische Herkunft dafür ohne Bedeutung seien.

Zutreffend ist, dass die Benachteiligung wegen der Staatsangehörigkeit nicht durch das AGG gerügt wird. Jedoch verkennt das Gericht, dass die Mehrheit israelischer Staatsbürger*innen sich dem jüdischen Glauben zugehörig fühlen, sich Israel als jüdischer Staat begreift und auch von außen vor allem mit dem Judentum assoziiert wird. Wenn in einer Maßnahme auf die ausländische Staatsangehörigkeit abgestellt wird, liegt sogar eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne von § 3 Abs. 1 AGG vor, wenn der ausländische Staat durch ein bestimmtes Staatsvolk charakterisiert wird, das die Voraussetzungen einer Ethnie, wie es für Jüdinnen und Juden nach herrschender Meinung zutrifft, erfüllt. Für die kuwaitischen Gesetze Nr. 21 und 24 ist dies im Lichte ihrer Entstehungsgeschichte der Fall. Darüber kann auch nicht die fadenscheinige Argumentation, auch nichtjüdische Israelis seien von den Gesetzen betroffen, hinwegtäuschen.

Der historische Kontext des AGG ist hinsichtlich der Staatsangehörigkeit als Rechtserkenntnisquelle interessant. Die Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit wurde aus dem AGG und den zugrundeliegenden EU-Antidiskriminierungsrichtlinien ausgeklammert, um das Hoheitsrecht der Staaten über Asyl-, Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsrecht zu wahren. Der Zivilrechtsverkehr war durch diese Intention nicht gedeckt. Im vorliegenden Fall geht es nicht um das Asyl- bzw. Aufenthaltsrecht. Der Verweis auf den Umgang mit israelischen Fluggästen am Flughafen in Kuwait bei Nichtanerkennung des Passes ist also hinfällig, da die Gesetze Nr. 21 und Nr. 24 jeden zivilrechtliche Vertragsschluss ausschließen und der Umsteigeaufenthalt am Flughafen in Kuwait-Stadt nicht das ausschlaggebende Phänomen ist.

Entgegen der Darlegung des Landgerichts spricht einiges für eine unmittelbare Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft durch Kuwait Airways. Doch selbst wenn die unmittelbare Benachteiligung verneint würde, ist eine mittelbare Benachteiligung im Sinne von § 3 Abs. 2 AGG aufdrängend. Zwar ist das Landgericht für die Auslegung kuwaitischer Gesetze sowieso nicht zuständig, allerdings kann es ebendiese auch nicht so behandeln, als stünden sie im luftleeren Raum und obendrein die Auslegung auf die falsche Annahme stützen, dass sie keinen Bezug zur jüdischen Selbstzuschreibung Israels enthielten. Es muss die Gesetze in der Gesamtschau mit der antisemitischen Rhetorik sowohl der Arabischen Liga, als auch des Staates Kuwait, der sogar Träger der Fluglinie ist, betrachten. Eine mittelbare Benachteiligung liegt daher jedenfalls wegen der ethnischen Herkunft und auch wegen der zugeschriebenen Religion vor. Eine etwaige Rechtfertigung scheitert an der Verhältnismäßigkeit. Die Vertragsverweigerung aus antisemitischen Gründen ist keine angemessene Maßnahme.

Fazit: Antisemitismus als Herausforderung für die Rechtsprechung

Das Landgericht ringt nicht nur mit der Einordnung antisemitischer Übergriffe in das Antidiskriminierungsrecht, sondern schafft auch mit seiner neuesten Auslegung ein Einfallstor für antiisraelischen Antisemitismus. Indem es letztendlich auf die souveräne Gleichheit von Staaten abstellt und in Verkennung der Anwendung deutschen Rechts – vermutlich – vermeiden will gegenüber Personen der Rechtsordnungen anderer Staaten imperialistisch zu indoktrinieren, schreibt und wendet das LG selbst Recht an, das mit den Grund- und antidiskriminierungsrechtlichen Maßstäben des GG und des internationalen Rechts nicht vereinbar ist.

Ferner entspricht die derzeitige Einordnung antisemitischer Vorfälle unter Religion oder Rasse/ethnische Herkunft zwar der Logik des AGG und würde in Folge der obigen Analyse auch einen Anspruch generieren. Dennoch scheitert auch das AGG daran, den realen Auftritt von Antisemitismus und den Stand der Antisemitismustheorie zutreffend abzubilden. Das Glaubensgefüge des Judentums spielt für antisemitische Übergriffe in der Regel keine Rolle, sondern mehr ein allgemeiner Welterklärungsanspruch, der Aussagen über Charaktereigenschaften von Jüdinnen und Juden trifft und eine ganzheitliche, von unlauteren Zielen geprägte Mission unterstellt.

Die Merkmale, die durch die Rechtsanwendung zur Definition einer ethnischen Gruppe herangezogen werden, haben darüber hinaus in sich schon abgrenzende und stigmatisierende Wirkung. Der sehr diversen Gruppe der von Antisemitismus Betroffenen und dem umfassenden verschwörerischen Weltbild der Täter_innen werden sie jedenfalls nicht gerecht. Wie Doris Liebscher anmerkt, kann die Einführung des Merkmals „Staatsangehörigkeit“ in das AGG allenfalls ein erster Schritt sein, um diesen Zustand nachhaltig zu ändern. Das Problem des Umgangs mit Antisemitismus geht jedoch sehr viel weiter und muss im Kontext der deutschen Rechtsordnung insgesamt diskutiert werden.

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