Der Internationale Strafgerichtshof in der Krise?

| Beitrag von Wiss. Mitarb. Tanja Altunjan und Dr. Aziz Epik

70 Jahre nach Verkündung des Nürnberger Urteils durch den Internationalen Militärgerichtshof sieht sich der Internationale Strafgerichtshof (IStGH), die erste permanente Institution zur Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen, erheblicher Kritik vornehmlich afrikanischer Staaten ausgesetzt. Während diese Kritik nicht rundheraus und ohne nähere Auseinandersetzung abgelehnt werden sollte, sind die nun angekündigten und eingeleiteten Austritte Schritte in die falsche Richtung. Eine ernsthafte Diskussion um Reformbedarf und Optimierungsmöglichkeiten wird durch den Missbrauch des Vorwurfs von Neokolonialismus und Rassismus als politisches Agitationsmittel erschwert. Weiterlesen

Kosmetische Genitalveränderungen an intergeschlechtlichen Kindern – eine immer noch gängige Praxis

| Beitrag von Theresa Richarz und Franziska Brachthäuser

In den letzten Jahren wurden kosmetische Genitalveränderungen an intergeschlechtlichen Kindern immer mehr in der Öffentlichkeit thematisiert. UN-Ausschüsse, Interessenorganisationen, Akademiker*innen versuchten durch Aufklärungsarbeit dieser Praxis der körperlichen Eingriffe an Minderjährigen entgegenzuwirken. Nun analysiert eine neue Studie von Dr. Ulrike Klöppel die Entwicklung der Operationshäufigkeit für die Jahre 2005 bis 2014. Das Ergebnis: Die Annahme, dass kosmetische Genitalveränderungen der Vergangenheit angehören, ist falsch. Das unterstreicht den dringenden legislativen Handlungsbedarf. Weiterlesen

Gambia verlässt den Internationalen Strafgerichtshof

| Beitrag von Johanna Jaspersen

Drei afrikanische Staaten haben in kurzer Zeit den Internationalen Strafgerichtshof verlassen. Weitere denken darüber nach. Während hierzulande Medien vor allem darauf abstellen, dass die jeweiligen Staatschefs sich durch den Austritt der Strafverfolgung entziehen, was als Zeichen gegen die systematische Verfolgung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu werten sei, sollte die postkolonial und rassismuskritische Austrittsbegründung von Gambia ernst genommen werden und anregen Ansätze der Third World Approaches to International Criminal Law aufzugreifen.

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„Rasse“ als Rechtsbegriff?

| Beitrag von Rieke Wönig

Auf Grundlage der Anti-Rassismus-Richtlinie der EU haben bereits mehrere EU-Staaten, etwa Österreich und Schweden, den Begriff der „Rasse“ aus ihren nationalen Verfassungen gestrichen und durch alternative Formulierungen ersetzt. In Deutschland konnte eine solche Änderung bislang nicht durchgesetzt werden – trotz anhaltender Kritik seitens Menschenrechtsorganisationen und verschiedener Gesetzesinitiativen in den vergangenen Jahren. Woran liegt das?

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Literatur und juristische Aufarbeitung – anlässlich des Symposiums Gedächtnis und Gerechtigkeit

| Beitrag von Karina Theurer

Juristische Aufarbeitung ist unabdingbar, um Menschenrechtsverletzungen in bewaffneten Konflikten und unter Militärdiktaturen zu bewältigen. Die Komplexitäten struktureller Gewalt und sozio-ökonomischer Diskriminierung können in den auf Individuen ausgerichteten Strafverfahren etwa weder erfasst noch verändert werden. Graustufen zwischen Täter_in- und Opferschaft sind nicht abbildbar. Welchen Beitrag können literarische Texte bei der Aufarbeitung massiver Gewalt und der Wahrheitssuche leisten? Diese und weitere Fragen wurden beim Symposium Gedächtnis und Gerechtigkeit diskutiert. Weiterlesen

Die Blackbox des Kindeswohls. Die erste Entscheidung des BGH zu § 1686a BGB

| Beitrag von Kirsten Scheiwe

Seit Juli 2013 gibt es das Recht des leiblichen Vaters auf Umgang mit dem Kind, wenn rechtlich ein anderer Mann Vater ist und der biologische Erzeuger ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat und wenn der Umgang dem Kindeswohl dient (§ 1686a BGB). Jetzt entschied der BGH den ersten Fall dazu (Beschluss XII ZB 280/15 vom 5.10.2016) – auf eine Rechtsbeschwerde desselben Mannes, der sein Umgangsrecht seit 2006 durch alle Instanzen verfolgte bis hin zum Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte von 2010, das wiederum die Einführung des § 1686a BGB zur Folge hatte. Wie problematisch ein derartiges Umgangsrecht eines biologischen Erzeugers, der nie mit dem Kind zusammengelebt hat, gegen den Willen der Eltern sein kann, zeigt der Fall in aller Deutlichkeit. Weiterlesen

Felony Disenfranchisement und restriktive Wahlgesetze als Form struktureller Diskriminierung Schwarzer US-Bürger_innen

| Beitrag von Sarah Lisa Washington

In zwei Tagen werden US-Bürger_innen darüber entscheiden, wer Barack Obama ablöst und die nächsten vier Jahre das Land als commander-in-chief regieren soll. Dies gilt zumindest für diejenigen US-Bürger_innen, die das Wahlrecht noch ihr eigen nennen können. So klar die in den USA anerkannte one person, one vote – Doktrin, nach der jede_r Bürger_in eine Stimme hat, auch formuliert sein mag, die gleichberechtigte Teilnahme an der Wahl ist auch im Jahre 2016 keine Selbstverständlichkeit. Insbesondere Diskriminierungseffekte zu Lasten Schwarzer Amerikaner_innen ist immer wieder Anlass für kontroverse Diskussionen. Weiterlesen

Assistenzfragen – zwischen UN-BRK und Teilhabegesetz

| Beitrag von Clara Becker

Zum Thema Assistenzleistungen von Menschen mit Behinderung hat sich in letzter Zeit einiges getan. Auf der einen Seite stehen das geplante Bundesteilhabegesetz und eine Reform der Pflegestufeneinteilung und -feststellung. Auf der anderen Seite steht die erfolgreiche Verfassungsbeschwerde der Kanzlei Menschen und Rechte zur 24-Stunden-Assistenz. Wo Betroffenenverbände ihr Ziel im Rahmen der Gesetzesänderung aufgrund eines mangelnden Teilhabeprozesses nicht erreichen konnten, ist die Kanzlei Menschen und Rechte diesem ein Stück auf dem Rechtsweg weit näher gekommen.
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Kita dient doch der Vereinbarkeit von Familie und Beruf

| Beitrag von Friederike Wapler

Seit dem ersten August 2013 hat jedes Kind ab dem ersten Geburtstag einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Ein bedarfsgerechtes Angebot suchen Eltern in vielen Regionen Deutschlands jedoch vergebens. So erging es auch drei Müttern aus Leipzig, die nach einem Jahr Elternzeit auf ihre Arbeitsplätze zurückkehren wollten. Obwohl sie recht bald nach der Geburt ihrer Kinder ihren Bedarf nach Kinderbetreuung angemeldet hatten, konnte die Stadt ihnen erst mehrere Monate nach den ersten Geburtstagen ihrer Kinder einen Betreuungsplatz anbieten. Die drei Frauen verklagten die Stadt auf Schadensersatz wegen Verdienstausfalls. Weiterlesen

Supply chain liability: The lawsuit by Karachi claimants against retailer KiK in historic perspective

| Beitrag von Dr. Carolijn Terwindt

On 29 August 2016, the court (Landgericht) in Dortmund, Germany, issued an important decision: In a claim by Pakistani survivors and legal heirs against German retailer KiK for injuries and deaths during a fire at a factory supplying jeans in Karachi, the judges accepted jurisdiction and granted legal aid to the Pakistani claimants to cover the legal fees. While at the very same time the German National Action Plan on business and human rights turns out to be less about binding obligations than about voluntary responsibility, this judicial decision is a first step towards accountability for transnational human rights violations by German companies abroad. It is the first time that a transnational claim by workers and their families from a supplying factory against a retailer will be heard in Germany. Weiterlesen