Abschiebehaft – Wen schützt das Recht auf Freiheit?

| Beitrag von Teresa Otten Dionísio und Eva Vogel

Mitten in der Nacht wirst du durch ein Klingeln aus dem Schlaf gerissen. Die Polizei steht vor der Tür. Bevor du verstehst, was passiert, musst du deine Sachen packen, deine Kinder beruhigen. Ein paar Stunden später sitzt ihr in Haft. Und du fragst dich, was du falsch gemacht hast.

Was für Deutsche unvorstellbar klingt, kann für Personen ohne sicheren Aufenthaltsstatus grausame Realität werden – und das mitten in Deutschland. Regelmäßig landen ausreisepflichtige Menschen in Deutschland in Abschiebehaft, unter ihnen auch Familien mit Kindern. Dabei verstößt sowohl die derzeitige gesetzliche Ausgestaltung der Abschiebehaft in den §§ 62 ff. AufenthG als auch die überwiegende Praxis der Amtsgerichte gegen die durch Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG geschützte Freiheit der Person. Nun hat sich diese Situation durch das im Februar in Kraft getretene sog. Rückführungsverbesserungsgesetz noch weiter verschärft.

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Femizide strategisch verhindern – Möglichkeiten vor nationalen und internationalen Gerichten

| Beitrag von Laya Schlaeffer und Alexander Weber

Viele Opfer von Femiziden waren im Vorfeld nicht nur einer Spirale häuslicher Gewalt ausgesetzt, sondern haben sich auch bereits mehrfach an die Polizei gewandt. Dass es trotzdem so häufig zur Tat kommt, zeigt: Der Opferschutz ist in Deutschland nach wie vor lückenhaft. Kann strategische Prozessführung dazu beitragen, dass Frauen durch staatliche Stellen besser vor geschlechtsspezifischer Gewalt geschützt werden? Dieser Frage stellte sich das Team von JUMEN e.V., darunter Kaja Deller die das Projekt „Genderstereotype in der Justiz“ leitet und Nina Fischnaller, die in diesem Projekt mitarbeitet, gemeinsam mit Christina Clemm, Anwältin für Familien- und Strafrecht, Linda Greuter, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Legal Gender Studies der Johannes Kepler Universität Linz und Johanna Nelles, Exekutiv-Sekretärin der Istanbul-Konvention des Europarats, in einer Diskussion am 5. März 2024 im Haus der Demokratie und Menschenrechte in Berlin.

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Neue Hoffnung auf ein Recht auf Wohnen? – Beitritt zum Fakultativprotokoll des UN-Sozialpakts

| Beitrag von Nicolas Porwitzki

Der deutsche Gesetzgeber hat am 04.01.2023 (BGBl. II 2023, Nr. 4 12.01.2023) die Voraussetzungen für die Ratifikation des Fakultativprotokolls zum Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte geschaffen (UN-Sozialpakt). Das Fakultativprotokoll eröffnet Personen, die sich in einem ihrer Rechte aus dem Sozialpakt verletzt sehen, die Möglichkeit eines individuellen Beschwerdeverfahrens.  Durch sogenannte Mitteilungen können sie sich an den Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte wenden. Dieser war in Vergangenheit besonders aktiv zum Thema Recht auf Wohnen. Ein solches ist in Art. 11 Abs. 1 des UN-Sozialpakts ausdrücklich verbürgt. Der Beitrag geht aus Anlass der anstehenden Ratifikation daher der Frage nach, ob man sich Hoffnung auf neue Entwicklungen in der Debatte um ein Recht auf Wohnen in Deutschland machen darf.

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Fußballerische Menschenrechtsdiskurse – Weltmeisterschaft im Virtue Signalling

| Beitrag von Aaron Yacob

Die Diskussion um Menschenrechte als vermeintlich aufgezwungenes, westliches Exportprodukt findet während der Fußball-WM in Katar einen neuen Höhepunkt. Es scheint, als würde sie nirgendwo intensiver geführt werden als in Deutschland. Dieser Beitrag will erörtern, inwiefern aus einem moralisierenden “ob” einer fußballdeutschen Protest- oder Boykottaktion, auch ein rechtliches “wie” folgen kann. Jenseits der politischen Dimensionen bleiben nämlich auf rechtlicher Ebene einige Fragen offen: Ist die hier eingeforderte Kategorie der “Menschenrechte” nur als moralisches Schlagwort zu verstehen? Oder geht es um die Durchsetzung echter juristischer Verpflichtungen?

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Das Erfolgshonorar als Booster für den Grundrechtsschutz? – Effektive Durchsetzung von Antidiskriminierungsrechten

| Beitrag von Sven Hummel

Nach einer Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) hat fast jede dritte Person ab 14 Jahren in Deutschland innerhalb der letzten 24 Monate eine Diskriminierung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) erlitten. Doch nur in einem kleinen Teil der Fälle werden die Rechte aus dem AGG tatsächlich durchgesetzt. Denn die Rechtsdurchsetzung nach einer Diskriminierung bedeutet für die betroffene Person ein hohes Kostenrisiko. Es darf aber kein Luxus sein, sich für die eigenen Rechte einzusetzen. Deshalb braucht es dringend innovative Ansätze. Nach dem Vorbild bisheriger Legal Tech Dienstleistungen könnte der Zugang zum Recht auch im Bereich des Antidiskriminierungsrechts durch die Vereinbarung von Erfolgshonoraren verbessert werden.

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Recht auf Gesundheit vs. Migrationskontrolle

| Beitrag von Rebekka Lang

Endlich scheint die Öffnung der Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Papiere in greifbarer Nähe: Die Ampel-Regierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, die Meldepflichten für Sozialbehörden zu überarbeiten. Zwar gibt es bereits einen Anspruch auf Gesundheitsversorgung für Migrant*innen auch ohne gültige Aufenthaltspapiere. In der Praxis ist der Zugang jedoch risikobehaftet. Zur Verwirklichung des Rechts papierloser Migrant*innen auf Gesundheit ist eine Abschaffung der Meldepflicht im Gesundheitswesen unabdingbar und gleichzeitig nicht ausreichend.

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Getötet weil sie Frauen sind – Femizide und die fehlende Umsetzung der Istanbul-Konvention

| Beitrag von Naora Bruns und Antonia Gillhaus

Im April 2022 wird die 31-jährige Zohra G. von ihrem Ex-Mann in Berlin-Pankow auf offener Straße erstochen. Nicht zuletzt, um genau solche Taten zu verhindern, schloss der Europarat vor über zehn Jahren das Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, die sog. Istanbul-Konvention (IK). Doch obwohl Deutschland zu den Erstunterzeichnern gehörte, nimmt die Gewalt gegen Frauen in Deutschland weiter zu. Zwar wird die Debatte darum im politischen Diskurs aktuell lauter, die Umsetzung der IK bleibt in Deutschland jedoch weiter hinter den völkerrechtlichen Anforderungen zurück.

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Der Kampf der Smombies um Bildungsgerechtigkeit

| Beitrag von Josina Greiser

„Smombie“, Jugendwort des Jahres 2015, beschreibt Kinder und Jugendliche, die durch den stetigen Blick auf ihr Smartphone den Blick für ihre Umwelt verlieren und regelrecht zu Zombies werden. Oft wird ihnen gegenüber der Vorwurf laut, sie wären nur noch online, würden die persönliche Kommunikation vernachlässigen oder sich kaum noch von zuhause fortbewegen. Dann kam 2020 die Pandemie, die genau das von eben jenen jungen Menschen erwartet hat: Unterricht oder Studium möglichst online, lieber telefonieren als sich zu treffen und nur wenn nötig und mit möglichst viel Abstand raus gehen und die Geschäfte des Alltags erledigen. Doch die entsprechenden Online-Angebote waren unzureichend. Die vergangenen Jahre wären genau der Zeitpunkt gewesen, um den Fokus verstärkt auf die Online-Lehre zu legen. Wir hätten das Bildungsangebot barrierefreier und zugänglicher für alle gestalten und die Digitalisierung zu unseren Gunsten verwenden können. Wir hätten im Bildungswesen in ein neues, moderneres und integrierenderes Zeitalter schreiten können. Wir hätten einen Weg weisen können, um Bildungsungleichheit abzubauen. 

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Oury Jalloh – Gerechtigkeit verwehrt durch institutionellen Rassismus in Deutschland

| Beitrag von Marlena Onochie

Vieles weist darauf hin, dass der 36-jährige Oury Jalloh 2005 in einer Polizeizelle in Dessau mit Benzin überkippt und verbrannt wurde. An Händen und Füßen an einer feuerfesten Matratze gefesselt habe sich Jalloh mit einem Feuerzeug selbst angezündet, so die offizielle Version. Trotz zahlreicher Bemühungen von rassismuskritischen Menschenrechtsaktivist*innen, der Oury Jalloh Initiative und einem neuen Gutachten, in dem ein Suizid für extrem unwahrscheinlich erklärt wird, werden die Ermittlungen gegen diensthabende Polizisten*innen nicht wieder aufgenommen. Der Fall führt damit die Mechanismen struktureller Gewalt gegen Menschen of Color in Deutschland vor Augen. Dass diese auch im Widerspruch zu menschenrechtlichen Pflichten des deutschen Staates stehen, könnte bald in einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geklärt werden.

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Interview mit Dr. Dana-Sophia Valentiner

| Beitrag von Blog-Redaktion

Im Rahmen unserer Interviewreihe möchten wir euch Dr. Dana-Sophia Valentiner vorstellen. Sie ist Rechtswissenschaftlerin aus Hamburg und forscht zu Themen der feministischen Rechtswissenschaft sowie – im Rahmen ihrer Habilitation – zum Recht der Verkehrswende. Als Vizepräsidentin des Deutschen Juristinnenbundes setzt sie sich rechtspolitisch für die Gleichberechtigung der Geschlechter ein und moderiert den vielgehörten Podcast „Justitias Töchter“. 

Im Gespräch werfen wir ein Licht auf die Herausforderungen, mit denen Studierende der ersten Generation konfrontiert sind, ihr rechtspolitische Engagement im Deutschen Juristinnenbund und die schwierigen Umstände für Frauen in der Rechtswissenschaft. Das Interview führte Louisa Hattendorff. 

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