Abschiebehaft – Wen schützt das Recht auf Freiheit?

| Beitrag von Teresa Otten Dionísio und Eva Vogel

Mitten in der Nacht wirst du durch ein Klingeln aus dem Schlaf gerissen. Die Polizei steht vor der Tür. Bevor du verstehst, was passiert, musst du deine Sachen packen, deine Kinder beruhigen. Ein paar Stunden später sitzt ihr in Haft. Und du fragst dich, was du falsch gemacht hast.

Was für Deutsche unvorstellbar klingt, kann für Personen ohne sicheren Aufenthaltsstatus grausame Realität werden – und das mitten in Deutschland. Regelmäßig landen ausreisepflichtige Menschen in Deutschland in Abschiebehaft, unter ihnen auch Familien mit Kindern. Dabei verstößt sowohl die derzeitige gesetzliche Ausgestaltung der Abschiebehaft in den §§ 62 ff. AufenthG als auch die überwiegende Praxis der Amtsgerichte gegen die durch Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG geschützte Freiheit der Person. Nun hat sich diese Situation durch das im Februar in Kraft getretene sog. Rückführungsverbesserungsgesetz noch weiter verschärft.

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Abschiebungen trotz Genozids – Fehlender Schutz für Êzîd*innen

| Beitrag von Yasmin Akan und Frieda Therese Busch

Am 20. November 2023 wird eine êzîdische Familie nachts in ihrem Zuhause in Bayern auseinandergerissen. Mutter, Vater und zwei junge Kinder werden zum Flughafen Frankfurt gebracht, um in den Irak abgeschoben zu werden. Zurück bleiben die beiden ältesten Töchter. Nur wenige Jahre zuvor war die Familie vor dem Terror des Islamischen Staats nach Deutschland geflohen. Diese Abschiebung ist kein Einzelfall und war möglich, trotz des Umstands, dass der Bundestag im Januar des vergangenen Jahres die Verbrechen des „IS“ an den Êzîd*innen als Genozid anerkannt hatte. Dieser jährt sich am 03.08.2024 zum zehnten Mal.

Ohne eine entsprechenden Praxis der deutschen Exekutiven und Verwaltungsgerichte bringt eine symbolische Anerkennung des Genozids den Betroffenen wenig. Deutschland verkennt die weiterhin bestehenden Gefahren für die Êzîd*innen und nimmt damit weitere Menschenrechtsverletzungen an der Religionsgemeinschaft in Kauf, denn Tausende sind derzeit von einer Abschiebung in den Irak bedroht. 

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COP oder Flop (26)? – Eine Karlsruher Perspektive auf die Ergebnisse des Weltklimagipfels

| Beitrag von Johannes Schwab

Der Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts hat ohne Zweifel für Furore gesorgt. Oft unbeachtet blieb dabei ein wichtiger Aspekt: Auch für das Verhalten Deutschlands bei Klimakonferenzen hat Karlsruhe Maßstäbe gesetzt. In einem Monat jährt sich der letzte Weltklimagipfel – COP26 – und beginnt der nächste – COP27. Da die Klimakrise in der Zwischenzeit weiter eskaliert ist, binden die Karlsruher Vorgaben die Bundesregierung bei dieser Klimakonferenz umso mehr – bei der letzten blieben der globale Süden und künftige Generationen wieder einmal auf der Strecke.

Die deutsche Delegation stand bei den Verhandlungen des 26. Weltklimagipfels in Glasgow unter massivem Druck. Neben einer zunehmend klimasensiblen Öffentlichkeit saß den Verhandler*innen auch der Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) von April 2021 im Nacken. Den Vorgaben dieser Entscheidung entspricht das Ergebnis des Glasgower Klimagipfels gerade noch. Bei der bald anstehenden Klimakonferenz COP27 wird die Bundesregierung jedoch deutlich ehrgeiziger für den Klimaschutz eintreten müssen.

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Globale Pandemiebekämpfung – von globaler Ungleichheit geprägt

| Beitrag von Linus Heiler

Vor etwas über einem Jahr begann die größte Impfaktion der Menschheitsgeschichte, um der seit hundert Jahren schwersten globalen Gesundheitskrise ein Ende zu bereiten. Seit August 2020 wurden über fünf Milliarden Menschen gegen Covid-19 geimpft. Die Entwicklung von Impfstoffen fand in Rekordzeit statt und ist ein großer Erfolg kollektiver weltweiter Anstrengung. Doch es gibt auch eine Kehrseite der Medaille: Die bisherigen Impfkampagnen sind ein Zeugnis globaler Ungerechtigkeit. Sie zeigen exemplarisch, dass wirtschaftliche Interessen einzelner Unternehmen über die Gesundheit und das Leben von MillionenMenschen gestellt werden. Dies geschieht im Widerspruch zum in zahlreichen Menschenrechtsverträgen festgeschriebenen Recht auf Gesundheit. 

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50 Jahre Radikalenerlass: Die Regelabfrage im Öffentlichen Dienst im Lichte der Berufs-, Vereinigungs- und Meinungsfreiheit

| Beitrag von Carl Spahlinger

Vor fast genau 50 Jahren, am 28. Januar 1972, trat ein gemeinsamer Erlass der Ministerpräsident:innen der Länder und des Bundeskanzlers Willy Brandt in Kraft, durch den, so wörtlich, die Beschäftigung von rechts- und linksradikalen Personen im öffentlichen Dienst verhindert und beendet werden sollte: der sogenannte Radikalenerlass. 

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Das Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz und die Polizei – eine Zwischenbilanz

| Beitrag von Phương Ngân Trần

Die Verabschiedung des ersten Antidiskriminierungsgesetzes auf Landesebene im Sommer 2020 entfachte eine deutschlandweite heftige und kontroverse Debatte. Vor allem die Oppositionsparteien im Berliner Parlament und die Berufsverbände der Polizei sahen im Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) nichts weniger als ein „Anti-Polizei-Gesetz“ und prophezeiten eine „Beschwerde- und Klageflut“, die die Polizeiarbeit lahmlegen werde. Dass entsprechende Befürchtungen empirisch und juristisch wenig fundiert seien, wurde früh entgegnet. Ein Jahr nach Inkrafttreten des LADG lohnt daher die Frage: haben sie sich tatsächlich realisiert?

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5 Jahre JUMEN – Juristische Menschenrechtsarbeit in Deutschland

| Beitrag von Kaja Deller

Mit der Vision, Grund- und Menschenrechte in Deutschland zu schützen und durchzusetzen, gründete sich 2016 der Verein JUMEN e.V.. Fünf Jahre später ist das interdisziplinäre Team von Jurist*innen und Expert*innen um das Vierfache gewachsen und hat seine Themen ausgeweitet. Ein Rückblick.

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Adieu 24 Stunden-Pflege! – Eine rechtliche Bewertung der (rechtswidrigen?!) Praxis von polnischen Vermittlungsagenturen und Launch des Working Paper No. 28

| Beitrag von Adriana Deckert-Regui und Toralf Liessneck

Mit dem Urteil 21 Sa 1900/19 vom 17.08.2020 hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LAG) dem Thema Live-In Pflege wieder neue Bedeutung gegeben. Live-In Pflege umfasst die Pflege und Betreuung durch Arbeiter*innen, die im selben Haushalt leben und arbeiten. Das LAG hat einer Live-In den Anspruch auf Nachzahlung von nicht vergüteten Arbeitsstunden zugesprochen – für täglich 21 Stunden geleisteter Arbeit. Das Urteil hat das Potenzial eine gesamte Branche auf den Kopf zu stellen.

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Menschenwürdiges Existenzminimum für alle – Launch des Working Paper No. 27

| Beitrag von Miriam Bräu und Philip Heimann

„Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren“ – mit diesem Satz erklärte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Juli 2012 die Höhe der Regelleistungen im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für verfassungswidrig. Die betroffenen Migrant*innen und Asylbewerber*innen waren in ihrem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gem. Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m Art. 20 Abs. 1 GG verletzt. Die Menschenwürde dieser Personen wird jedoch bis heute weiterhin migrationspolitisch verhandelt.

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Antiziganistische Diskriminierung beim Bezug von Sozialleistungen – Launch des Working Papers No. 25

| Beitrag von Zoë Lay und Antonia Vehrkamp

Im Working Paper No. 25 gehen die Autorinnen der Frage nach, wie sich institutioneller Rassismus gegen Rom*nja bei der Vergabe von Sozialleistungen äußert. Bei der Beantwortung wird deutlich: Zum einen begünstigt die derzeitige Sozialrechtslage antiziganistische Diskriminierung; zum anderen können von Antiziganismus betroffene Menschen bei der Anwendung rechtlicher Vorschriften durch die Leistungsbehörden Diskriminierung erfahren.

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